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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Torweg in einer Seitenstraße und hatte plötzlich die
Rückfront der Pension vor sich. Sie stellte sich auf den Müllkasten, holte
Skizzenblock und Stift hervor und begann zu zeichnen. Sie war sehr stolz auf
diesen Trick. Nach der Natur zeichnende Kunststudentinnen waren in Heidelberg
nichts Ungewöhnliches.
    Sie hatte kaum den ersten
Strich getan, als sie auf dem Hof der »Teutonia« einen Mann auftauchen sah. Er
trug Regenmantel und Sporthut und benahm sich auffällig. Er pfiff ein Lied,
probierte nachlässig die Klinke der Hoftür. Die Tür war verschlossen. Er sah
sich vorsichtig um und war im nächsten Augenblick blitzschnell am Weinspalier
emporgeklettert. Er verschwand durch ein offenstehendes Fenster.
    Florence überlegte eine
Sekunde, dann schwang sie sich über die Mauer, klomm das Spalier empor und
stieg durch dasselbe Fenster in das Haus ein. Sie fand sich in einem Korridor,
auf den die Türen der einzelnen Zimmer mündeten. Trotz der dicken Teppiche
schlich sie auf Zehenspitzen bis zu der Stelle, wo der Korridor einen Knick
nach rechts machte. Sie schob den Kopf millimeterweise nach vorn— und zog ihn
sofort wieder blitzschnell zurück.
    Der Mann mit dem Regenmantel
kam aus einem Zimmer heraus und ging direkt auf sie zu. Sie verkroch sich
hinter einem riesigen Gummibaum und hielt den Atem an. Der Mann rannte an ihr
vorbei und wählte denselben Weg, auf dem er gekommen war. Ein Einsteigedieb,
ein Hotelmarder, dachte Florence, so arbeiten die also.
    Als sie vor dem Zimmer stand,
aus dem der Hotelmarder gekommen war, mußte sie lachen. Ausgerechnet, dachte
sie. Auf einer Visitenkarte stand dort in Rotstift PRIVAT und darunter Philipp
P. Engel. Was mochte der Bursche dem guten Philipp gemopst haben? Die
goldene Uhr, die Manschettenknöpfe mit den Brillanten, das Feuerzeug aus
Platin, die Brieftasche?
    Hoffentlich nicht die
Brieftasche! Sie bekam einen tödlichen Schreck und schlüpfte auf der Stelle in
das Zimmer. Sie machte sich sofort über den Koffer her, der neben dem riesigen
Barockschrank stand. Ihr Herz klopfte so laut, daß sie fürchtete, man könnte es
auf dem Gang hören. Der Koffer war leer. Sie nahm ein Lederkästchen in die Hand
und ließ es wieder fallen. Sie schaute sich ratlos um, als sie Schritte auf dem
Gang hörte. Die Stimmen eines Mannes und einer Frau ertönten. Ein Lachen klang
auf. Es war ein Lachen, das ihr verdammt bekannt vorkam.
    Philipp!!!
    Ohne sich zu besinnen, stieg
sie in den großen Barockschrank und zog die Tür von innen zu. Sie hörte, wie
eine Frau sagte: »So, Mr. Engel, und nun ‘ran an die Arbeit...«
    Florence hatte noch nie in
einem Schrank gesessen. Sie hatte immer nur davon gelesen. In den bunten
Heften, die man verstecken mußte vor der Ehrwürdigen Mutter.
Klosterschülerinnen wie Florence de Grandlieu war solche Lektüre unter
Androhung schwerer Bußen verboten. Deshalb waren die Hefte auch so beliebt. In
den Heften saß oft jemand in einem Schrank. Es waren jedoch nie Frauen, sondern
immer nur Männer, die dort warteten, bis die Luft wieder rein war.
    Eigentlich war es ganz lustig
in so einem Schrank. Sie spürte den Stoff eines Jacketts an ihrer rechten Wange
und die Rohseide eines Oberhemdes an ihrer linken. Es roch nach Tabak, nach
Rasierwasser und nach Leder. Nach Mann also. Es war ja auch ein Männerschrank.
Philipp schien seinen Wecker im Schrank aufzubewahren. Direkt neben ihr tickte
es nämlich. Durch einen winzigen Spalt zwischen Tür und Angel drang ein winziger
Lichtstrahl. Sehen konnte man nichts durch den Spalt. Aber hören konnte man
etwas.
    Florence unterschied eine
angenehme dunkle Stimme. Die gehörte ohne Zweifel dem Monsieur Engel. Die
hellere Stimme mußte die einer Frau sein. Ohne Frau war dieser Mensch ja nicht
denkbar. Die beiden sprachen englisch. Florence war zum erstenmal ärgerlich,
daß sie im letzten Zeugnis in Englisch eine Drei gehabt hatte.
     
    »Punkt acht also«, sagte
Philipp sachlich und machte einen dicken Strich unter das morgige
Tagesprogramm, das er für die zwölf Lehrerinnen aufgestellt hatte. »Der Bus
wartet nicht. Wir fahren zur Talstation der Bergbahn. Von dort auf den
Königsstuhl, Fernsehturm mit Aussicht und so weiter. Gegen zehn Uhr wieder
‘runter in die Stadt und ins Museum. Sie wissen, daß dort der älteste
Unterkiefer der Menschheitsgeschichte liegt, homo heidelbergensis heißt der
Bursche, der ihn getragen hat.«
    »Ich wußte es nicht«, sagte
Mabel und starrte auf das energische Kinn ihres

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