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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Kaffeebecher hinunterspülte.
    Wenn’s ihm schmeckt, soll er,
dachte Phil, stieg auf den Schemel und schaute durch die vergitterten Fenster.
Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte. Draußen war es Nacht, von
irgendwoher tönte fernes Rauschen, das war wohl das Meer, Grillen zirpten, ein
Hauch von Jasmin schwebte in der Luft. In der Tat, ein Gefängnis mit
Atmosphäre, untergebracht in einem Kastell, das in der Sarazenenzeit erbaut
sein mußte, mit Türmen, Wällen, Schießscharten, gedeckten Wehrgängen, direkt
romantisch und nicht der schlechteste Aufenthaltsort, zumindest nicht
vergleichbar mit den aus Glas, Beton und Stahl erbauten modernen
Strafvollzugsanstalten, deren Sterilität sich ja auf die Gemüter legen mußte.
Phil entsann sich mit Schaudern eines kurzen Aufenthaltes in einem solchen,
nahe Boston gelegenen Institut.
    Er spitzte die Ohren, als er
plötzlich Mädchengelächter hörte. Musik klang auf. Ein rassiger Cha-Cha-Cha.
»Irgendwo eine Party?« fragte er in die Nacht hinein.
    »Das sind Jeanne und Janine«,
erklang Lankoffs gleichgültige Stimme hinter ihm, »die Zwillinge.«
    »Weshalb sitzen die?«
    »Die sitzen, weil sie die
Töchter vom Direktor sind.«
    Hübsch? wollte Phil fragen,
unterließ es dann aber, weil er mit Recht annahm, daß sein Zellengenosse auf
diesem Gebiet nicht kompetent war. Die da unten hatten jetzt einen La Bamba auf
der Platte. Der ging direkt in die Glieder. Phil wippte wie elektrisiert mit
den Füßen.
    »Monsieur, können Sie tanzen?«
    Philipp merkte, wie ihm jemand
an den Hosenbeinen zupfte. »Mehr schlecht als recht«, sagte er vorsichtig.
    »Ich war mal Gigolo im New
Yorker ›Astoria‹, Monsieur, das war eine Schau. Ich kann auch die ganz neuen
Sachen, wirklich prima kann ich die.«
    »Das ist aber fein«, sagte
Philipp. Er fühlte, wie seine rechte Hand umklammert wurde. Lankoff zog ihn von
dem Schemel herunter. Er stand vor ihm, hatte die Hände gefaltet und sagte:
»Ach bitte, Monsieur, tanzen Sie mit mir, bitte, bitte!«
    Philipp hatte bei aller
Kaltschnäuzigkeit ein weiches Herz. Er konnte niemanden leiden sehen. Aber das
war eine geradezu idiotische Situation! Niemand würde ihm das glauben, wenn er
später mal seine Memoiren schrieb. Niemand! Als Münchhausen würde man ihn
hinstellen, als Lügenbold. »Monsieur Lankoff, Sie müssen verstehen«, fing er
an.
    Aber Monsieur hatte ihn schon
gepackt. »Hören Sie, Louis Armstrong ist das, der da bläst, ein schöner
langsamer Schleicher, nehmen Sie die Herrenstellung ein, bitte.«
    »Nein!« wollte Philipp
schreien, »nein, nein, nein!« Aber dann fiel ihm was Besseres ein. »Hören Sie
zu, Lankoff, ich tue Ihnen den Gefallen. Aber nur unter einer Bedingung.«
    »Schon gewährt.«
    »Ich tanze mit Ihnen, wenn Sie
mir sagen, was auf dem Zettel gestanden hat.«
    »Ich sage es Ihnen, bestimmt,
Sie können sich darauf verlassen, Monsieur, aber erst machen wir ein paar
Runden, ja?«
    So kam es zu jener seltsamen
Szene, in der der Untersuchungshäftling Philipp Engel in der Zelle Nummer 23
des Gefängnisses z u Nizza mit dem Taschendieb Jeromine Lankoff Tango
tanzte. Und den Kaiserwalzer. Und Rock around the clock, rock-rock-rock! und Chattannooga-Choo-Choo,
Twist, einen Samba mit raffinierten Schrittkombinationen und ein paar von den
»ganz neuen Sachen«.
    »Uff!« sagte Philipp endlich
und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war— warm geworden. »Schluß der
Vorstellung!« sagte er keuchend.
    »Nicht noch einen kleinen Tanz?
Bitte!« Lankoff schwebte bereits wieder graziös über den Zellenboden.
    In Philipp stieg der Zorn hoch.
»Hören Sie jetzt auf mit dem Rumgehopse, oder ich haue Ihnen eine ‘runter.«
    Lankoff blieb mitten im Raum
stehen und schmollte: »Sie!«
    »So, und jetzt pack aus,
Junge!«
    Lankoff legte den Finger auf
den Mund. Er riß den Rand von einer Zeitung, schrieb etwas darauf und reichte
den Zettel Philipp.
    Philipp starrte auf den
abgerissenen Zeitungsrand. Er konnte die Schrift schlecht lesen. ZITRUSPRESSE
entzifferte er schließlich. »Was soll das?« fragte er seinen Zellengenossen.
    »Das stand auf dem Zettel, der
in dem Kassiber war.«
    Philipp zerknüllte den Fetzen
Papier. »Wollen Sie mich zum Narren halten?«
    »Wenn Sie mir nicht glauben...«
Lankoff machte wieder seinen Schmollmund.
    »Hören Sie, ich bin hier mit
Ihnen eine halbe Stunde durch die Zelle gehopst, als hätte ich nicht alle
Tassen im Schrank. Das war mein Part, stimmt! Aber jetzt sind Sie dran.

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