Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Bau
führen, der alte Fuchs, und...«
Florence legte den Hörer auf.
»Ach Papa«, sagte sie laut, obwohl es ihr gerade verboten worden war, »es ist
wohl schon zu spät, mit dem alten Fuchs. Ich habe mich bereits...« Den Rest
erstickte ein Schluchzen. Die Tränen unterschieden sich kaum von denen, die ein
Stockwerk über ihr von Mabel Ellington geweint wurden.
Im Hof der »Photographischen
Anstalt« des Monsieur Jacques Saint-Jean herrschte gegen die elfte Stunde
lebhaftes Kommen und Gehen. Dunkle Gestalten verluden kleine und große Kisten
auf einen Lastwagen. Der verdeckte Schein von Taschenlampen, die halblauten
Rufe wie »Vite! Vite! Schnell!« und »Allez! Allez!« schufen eine abenteuerlich
anmutende Szenerie.
Gegen Mitternacht wurden die
schweren Doppelflügel der Hofeinfahrt geöffnet, von draußen ertönte ein Pfiff,
der LKW stieß rückwärts heraus und fuhr mit abgeblendeten Lichtern über die
Place Rosetti davon.
Im Keller des Hauses saß
Saint-Jean und hüllte sich fröstelnd in seine fleckige Samtjacke. Ihm gegenüber
hockte der Dicke mit den Schweinsäuglein.
»Ist alles verladen, auch die
Maschinen?«
»Alles, Chef.«
»Hast du Neues über unseren
Mann in Erfahrung bringen können?«
»Er sitzt auf Nummer 23,
zusammen mit Lankoff.«
»Mit Lankoff, der Tante?«
Saint-Jean schnaufte verächtlich. Wie er diese Typen haßte! »Weiß er schon, was
er zu tun hat?«
»Er kriegt den Kassiber morgen
mit dem Abendessen.«
Der Alte zündete sich seine
x-te Gaulloise an. »Aber vorsichtig, verdammt vorsichtig sollen sie sein. Die
ganze Sache schmeckt mir nicht. Der Kerl ist eine große Nummer, glaub’ mir das,
eine ganz große Nummer. Diese Idee, sich verhaften zu lassen, in dem
Augenblick, als wir ihn hoppnehmen wollten— das ist einsame Klasse. Das zeugt
von Grips!« Er schlug den Dicken mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Etwas,
was du nicht hast, Fettwanst!«
Der Dicke grunzte. Er wollte
zeigen, daß er auch was auf dem Kasten hatte und sagte: »Ich war noch mal im
›Negresco‹ und hab’ mir die Anmeldung zeigen lassen. Als Beruf hat er
›Reiseleiter‹ angegeben.«— »Na und?«
»Na und. Es stimmte! Der
Portier erzählte, er kam mit ‘nem Dutzend Amimädchen an, in einem Kleinbus, sie
wollen durch ganz Europa.«
Saint-Jean sprang auf. »In
einem Kleinbus? Als Reiseleiter? Mit zwölf Amerikanerinnen? Ich werde neidisch!
Da haben wir sie wieder, diese vielen Einfälle, diese Fülle von Gags. Gibt es
eine bessere Tarnung, kann sich ein Mensch unauffälliger in eine Stadt einschleichen?
Antworte, du Idiot!«
»Vielleicht war es Zufall,
Chef?«
»Ein Mann dieser Klasse
überläßt nichts dem Zufall, merk dir das.«
Der Dicke begann sich zu
ärgern. Über die Lobeshymnen, die der Fremde pausenlos einheimste. Dabei hatte
er ihn nicht aus den Augen gelassen. Keine Minute. Er hatte vor dem »Lucullus«
gewartet, zwanzig Schritt hinter ihm der Peugeot. Das Programm stand fest: die
Bitte um Feuer, der Bausch mit dem Äther, dem »Betrunkenen« wurde gut
zugeredet, sich nach Hause bringen zu lassen, ‘rein in den Wagen und ab die
Post, du lieber Himmel, man machte so was nicht das erstemal.
Statt dessen war der Kerl mit
zwei Bullen herausgekommen. Fröhlich plaudernd. Und hatte auch noch die
Frechheit gehabt, seinen Hut zu ziehen und freundlich zu grüßen...
»Ich krieg dich noch mal in die
Hände, warte«, sagte der Dicke und rieb sie sich, die Hände.
Wer sie gesehen hätte, würde
für Philipp keinen Pfifferling mehr gegeben haben.
Apropos Pfifferling! Den
letzten hatte Philipp in diesem Moment seinem Zellengenossen abgenommen. Beim
Pokern. Seine Barschaft betrug jetzt wieder 403 Francs und einige Centimes.
»Wie wäre es mit einem kleinen
Kredit, Monsieur Lankoff?« fragte Philipp höflich und zog die Karten
blitzschnell wie eine Ziehharmonika in der Luft hin und her. »Girlande« lautete
der Fachausdruck dafür.
Lankoff sah ihm bewundernd zu.
Es war die beste Girlande, die er in den letzten Jahren gesehen hatte. »Sehr
liebenswürdig, aber ich wüßte nicht, wie ich Ihnen einen Kredit zurückzahlen
sollte«, sagte er mit seiner weichen einschmeichelnden Stimme. Er überlegte,
wie es dazu überhaupt hatte kommen können. Er konnte es sich nicht erklären.
Die Karten waren sorgfältig gezinkt. Zwei Könige und ein As hatte er wie üblich
im Ärmel gehabt. Und trotzdem hatte er verloren und verloren. Unverständlich!
»Ich verstehe es nicht«, sagte
er.
»Was verstehen
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