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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Vernehmung angegeben, daß Sie, Monsieur
Engel, schuld seien an seiner Verhaftung.«
    Der Direktor sah Philipp streng
an: »Und für diesen Hinweis gebührt Ihnen die Belohnung, auch wenn erhebliche
Bedenken bestehen, daß sie Ihnen tatsächlich zustehen, Monsieur.«
    Papa! Vater! Alterchen! In
Philipp jubelte es. Wie ihm das ähnlich sah: schanzt mir eine Belohnung zu, die
ich nie verdient habe, und eine Verhaftung, von der die Justiz nicht den
geringsten Nutzen hatte. Ein Geniestreich! Er atmete tief durch und auf.
    Er erhob sich und sagte mit
Würde: »Wir wollen jetzt nicht darüber diskutieren, ob mir das Geld tatsächlich
zusteht, sondern uns an die Tatsachen halten.«
    Der Direktor öffnete die
mittlere Schublade seines Schreibtisches, entnahm ihr eine eiserne Kassette und
schloß sie umständlich auf. Seine Miene drückte tiefste Mißbilligung aus. Er
nahm ein Bündel Scheine heraus. Er sagte: »Das Geld ist mir von der Staatskasse
tatsächlich bereits überwiesen worden.« Er schüttelte den Kopf über diese unangemessene
Eile.
    Er fing an zu zählen.
»Zweitausendundeinhundert, zweitausendundzweihundert,
zweitausendunddreihundert.« Nach fünf vollen Hundertern beleckte er sorgfältig
seinen Daumen. Bei sechstausend war die Mißbilligung aus seinem Gesicht
gewichen und hatte sanfter Trauer Platz gemacht. »Sechstausendundfünfhundert,
sechstausendundsechshundert... Wissen Sie, Monsieur Engel, wissen Sie
eigentlich, wie hoch das Gehalt eines Gefängnisdirektors ist?
Sechstausendundsiebenhundert, sechstausendundachthundert.« Er schob Philipp
achttausend zu und bat ihn, nachzuzählen.
    Phil stopfte sie ungezählt in
die Jackettasche.
    Bei zehntausend hielt der
Direktor inne und sagte: »Jetzt sind nur noch fünftausend in der Kasse.« Er
seufzte. »Ich persönlich brauche nicht viel. Ich war immer sehr anspruchslos.
Zehntausendundeinhundert, zehntausendundzweihundert... Aber meine Töchter, Sie
haben sie ja vorhin kennengelernt. Aber deshalb kennen Sie sie noch lange
nicht.«
    »Das möchte ich nicht sagen.«
    »Ich bin selbst schuld, gewiß.
Jeanne und Janine, sie sind maßlos in ihren Ansprüchen, sie wollen alles haben,
alles, was sie sehen... Elftausendundvierhundert, elftausendundfünfhundert...
Aber seitdem ihre Mutter tot ist...« Er war jetzt so gerührt, daß er eine
kleine Pause einlegen mußte. »Seitdem habe ich sie sehr verwöhnt, ich habe
ihnen alles nachgesehen. Sie waren ja das einzige, was ich noch von ihr
hatte... elftausendundsechshundert, elftausend...«
    »Hören Sie auf«, sagte Philipp,
»sonst fange ich auch noch an zu weinen.« Er war tatsächlich etwas gerührt.
»Und nun behalten Sie schon den Rest. Legen Sie ihn auf die hohe Kante.« Er
drehte sich noch einmal um. »Aber passen Sie auf, daß sie hoch genug ist.«
    »Ich danke Ihnen, Monsieur.«
Der Direktor drückte ihm stumm die Hand. Aus seinem linken Auge löste sich eine
Träne und netzte sacht den obersten 100-Francs-Schein auf dem verbliebenen
Bündel. »Ich danke Ihnen im Namen der beiden unschuldigen Kinder.«
    Philipp machte ein Gesicht, als
habe ihn jemand auf ein frisches Hühnerauge getreten. Raus hier, dachte er und
riß die Tür auf. Die Zwillinge fielen ihm buchstäblich entgegen. Anstatt zu
erröten, fingen sie sofort an zu kichern. Sie ließen sich nicht abhängen und
begleiteten Philipp bis zum Ausgang.
    »Wir haben alles mit angehört,
Monsieur Philipp«, sagten sie. »Sie waren sehr anständig zu Vater. Dafür
wollten wir uns bei Ihnen bedanken.«
    »Geschenkt.«
    »Stimmt. Geschenkt wollten wir
auch noch was haben.«
    Sie standen vor ihm, zupften
verlegen an ihren rabenschwarzen Zöpfen, ihre Lippen umspielte ein scheues
Lächeln, ein Bild jungmädchenhafter Unschuld, zwei sanfte Rehlein, zwei junge
Rosen, vom Morgentau benetzt, zwei Pastorentöchterlein kurz nach der
Konfirmation— ach ja, denkste! Philipp glaubte, sie besser zu kennen, und er
sollte sich nicht täuschen.
    »Es ist nämlich so, Monsieur
Philipp. Wir waren damals noch nicht sechzehn, als wir mit Ihnen... Na, Sie
wissen schon«, sagte Janine.
    »Es fehlten noch genau zwanzig
Tage«, sagte Jeanne.
    »Für jeden Tag hätten wir gern
einen Fünfziger.«
    »Das macht pro Kopf tausend
Francs.«
    »Sozusagen als Schmerzensgeld.«
    »Es ist billig...«
    »...wenn man bedenkt, wie teuer
es werden könnte.«
    »Für Sie, Monsieur Philipp.«
Sie kicherten.
    Er war derart verblüfft, daß er
widerstandslos zahlte. Er ging den Kiesweg entlang und schaute

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