Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
sich noch einmal
um. Was für ein Gefängnis, dachte er, mit einer Mischung aus Grausen und
Respekt! Innerhalb einer knappen halben Stunde war er rund fünftausend Francs
losgeworden. Er, Philipp Engel, der sich etwas darauf zugute hielt, daß ihn so
leicht keiner aufs Kreuz legen konnte, war unter die Räuber gefallen. Und es
waren nicht die Räuber aus den Zellen gewesen.
Er ließ den Wagen an der
Hauptpost halten und füllte eine Postanweisung über 10 000 Neue Francs aus.
Unter EMPFÄNGER schrieb er: Mademoiselle Séraphine Milo, La Tour Fondue,
Post Hyères. Er zahlte das Geld ein und überlegte, ob sie dafür ein neues
Motorboot kriegen würden, Séraphine und Paul...
»Er hatte mir fest versprochen,
mich noch einmal zu besuchen.« Mutter Engel saß in ihrem Hotelzimmer auf dem
Sofa und nahm übel.
»Ich sage dir ja, es ist etwas
dazwischengekommen.«
»Er hatte sich so Hals über
Kopf verabschiedet, neulich, als das große Motorboot aufgetaucht war. Ich war
ganz ratlos.«
»Da war der Kontrolleur aus
Paris mit an Bord. Vor dem hat er wohl einigen Respekt.«
»Wohin mußte er denn so schnell
verreisen?«
»Nach Ostasien.«
»Zu den Chinesen, das sieht ihm
ähnlich.«
»Es ist ein Regierungsauftrag.
Er ist ja jetzt in das Beamtenverhältnis übernommen worden.«
»Dann kriegt er wenigstens mal
seine Pension. Weißt du, er war immer so leichtsinnig im Umgang mit Geld. Er
hat es schon in Heidelberg mit vollen Händen ausgegeben. Und wenn er seinen
Wechsel weit vor dem Monatsende verbraucht hatte, dann hat er manchmal gesagt:
›Einen Goldesel müßte man haben, oder noch besser ‘ne Druckerei, Lisette, da
könnte man sich seinen kleinen Bedarf selber herstellen‹. Wir haben dann immer
sehr gelacht.«
»Es ist ja auch zum Lachen«,
sagte Philipp.
»Sag, Phipps, bist du
eigentlich enttäuscht? Ich meine, daß es nun nichts geworden ist mit der
Million?«
»Ich habe sie nie besessen und
konnte sie deshalb auch nicht verlieren. Außerdem, weißt du, wäre sie mir gar
nicht bekommen. Ich kann schlecht mit Geld umgehen.«
»Nun weißt du wenigstens, wo du
das her hast.«
»Du, sag mal, Frau Engel...«
Philipp versuchte, seiner Stimme einen scherzhaften Unterton zu geben. Was ihm
mißlang. »Sag mal, bist du nun sehr enttäuscht? Ich meine...«
»Ich weiß, was du meinst. Und ich
möchte dir mit deinen Worten antworten, Philipp. Er hat mir nie richtig gehört,
und deshalb konnte ich ihn auch nicht verlieren.«
Er nahm seine Mutter in die
Arme und fügte hinzu: »Und vielleicht wäre er dir auch nicht bekommen.«
Sie küßte ihn auf die Stirn.
»Jetzt kümmere dich um Florence. Ich habe sie vorhin getroffen. Sie hatte dem
Portier sämtliche Abendzeitungen abgekauft. Ich glaube, sie kann auch nicht mit
Geld umgehen.«
Über Heidelberg lag die
Hitzeglocke eines Hundstages. Die Sonne zog Schwaden von Feuchtigkeit aus dem
Fluß und verwandelte die Stadt in ein Treibhaus. In der Hauptstraße war Lärm,
Hitze, Benzingestank, und die Touristen mieden sie und suchten den Schatten der
verwinkelten Altstadtgassen, oder sie blieben Stunden in den kühlen Gewölben
des Schlosses.
Mutter Engel hatte— ungeachtet
der Hitze— ihrer Tochter das Leibgericht ihres Sohnes gemacht: warmen
Zwiebelkuchen mit Speck. Dazu gab es einen Trollinger Wein vom mittleren
Neckar. Sie legte ihr das vierte Stück nach und sagte: »Zwiwwelkuche, da könnt’
sich der Phipps geradewegs ‘reinsetzen, so gern ißt er den.«
Florence nickte stumm und
schlang den Kuchen tapfer hinunter.
»Und morgen mache ich dir einen
Saumagen, einen gefüllten, ich habe ihn schon zum Wässern eingelegt, für die
Nacht. Er ist vom Scheidle. Na, der wird dir erst schmecken.« Mutter Engels
Gesicht leuchtete im Vorgefühl kommender Genüsse ihrer Schwiegertochter. Der
wird mir überhaupt nicht schmecken, dachte Florence und nahm einen gewaltigen
Schluck Wein, genausowenig, wie ich mich in diesen Zwiebelkuchen hier
‘reinsetzen würde. Kuchen mit Zwiebeln, eine geradezu beleidigende Vorstellung
für jeden Franzosen! Aber Philipp mochte ihn, also mochte sie ihn auch, was
wollte man machen.
»Noch ein Stück?« fragte Frau
Engel, »vergiß nicht, daß du jetzt für zwei essen mußt.«
Florence wurde knallrot. Sie
schnappte sich den Rest des Kuchens und machte sich auf die Suche nach Philipp.
Es schien die einzige Möglichkeit, dieser Speise zu entgehen. Sie ging den Gang
entlang, mit den vielen Türen rechts und links. Hinter jeder Tür befand
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