Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
ist altmodisch, aber es ist einträglich: den
Erstkläßlern vermittelt es ein exklusives Hochgefühl, für das sie viel Geld zu
zahlen bereit sind.
Stutterbold vermittelt es das
Gefühl, daß die Radkes nicht gleich auf Beatrix stoßen und umgekehrt. Wenn überhaupt.
»Gesetzt den Fall, sie treffen
sich, was dann?« fragt er.
Er fragt die beiden Möpse. Mr.
Miller und Mrs. Brown ruhen auf den beiden weichsten Couchkissen und schnarchen
ein Duett für zwei Mezzosoprane. Stutterbold sind sie immer noch nicht so recht
geheuer. Aber irgendwie hat er sich an sie gewöhnt. Jedenfalls hat er zwei
Mitreisende, an die man gelegentlich eine Frage richten kann, ohne eine dumme
Antwort zu kriegen.
»Wenn sie sich treffen
sollten«, redet er auf Mr. Miller ein, »ist mein Name Hase, ich weiß von
nichts, von gar nichts. Was kann ich dafür, wenn Butler John dem Fräulein
Beatrix denselben Tip gibt? Nichts kann ich dafür. Oder traut man mir etwa zu,
daß ich...«
»Booooo— aaaahhh!« macht die
Schiffssirene. Und »Booooooo— aaahh!«
»Booooo— aaahh!« Es ist Musik
in Stutterbolds Ohren. In einer kleinen halben Stunde legt die »Aphrodite« ab
und dann...
»Auf in den Kampf, Toreee—
heee— hee— he— ro«, singt er, weil er neulich in der Met bei »Carmen« war. Er
setzt sich an den kleinen Schreibtisch. In der rechten Schublade liegen zwei
Fotos. Ein großes »B« steht auf dem einen Foto, ein großes »E« auf dem anderen.
Die Tätigkeit, die er nun entfaltet, ist so fieberhaft wie mysteriös. Er nimmt
die beiden Fotos, klebt sie auf Millimeterpapier, schreibt Daten, schreibt
Zahlen, öffnet den Kleiderschrank, klebt Jen einen Bogen auf die Innenseite der
linken Tür, klebt den anderen Bogen auf die rechte, tritt prüfend ein paar
Schritte zurück, reibt sich die Hände, singt wieder das Torerolied, das er
diesmal u m die selbst gedichteten Zeilen bereichert »...wer von euch
die Siegerin wird sein, werd’ ich mich weih’n, werd’ ich mich weih’n, werd ich
mich weih’n«.
Beim letzten »weih’n« hat es
geklopft, und Frau Radke steht im Zimmer. Zusammen mit Tochter Erika. Stutterbold
schließt blitzschnell die Schranktüren und stellt sich schützend davor.
»A— hoi!« ruft die Radke
neckisch, »da wären wir. Und wenn Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, wir
fahren!«
»Ahoi«, sagt Stutterbold.
Die Radkes sind von Kopf bis
Fuß auf Seefahrt eingestellt. Mutter Radke trägt Matrosenlook: marineblau,
Silberknöpfe, gestickter Anker, Kompaß als Armbanduhr. Tochter Radke hat
instinktsicher Falschestes gewählt, irgendwas Quergestreiftes in
Rotweiß-Weißrot (Quergestreiftes macht dick), dazu weiße Hosen (Weiß macht
dick), rote Segeltuchschuhe, geringelte Söckchen.
»Tatsächlich, wir fahren«, sagt
Stutterbold, um irgend etwas zu sagen, und lehnt den Rücken eisern gegen den
Schrank.
»Geheimnisse, Stutterboldchen?
Oder .wobei haben wir Sie überrascht?« Frau Annegret zückt die Stielbrille.
»Mamusch, Mr. Stutterbold hat
sich bestimmt nackte Frauen an die Schranktür gepinnt. So wie ‘n Matrose.«
Erika kichert und versucht, die Schranktür zu öffnen. »Lassen Sie doch mal Ihre
Mietzen sehen, Sie Blaubart.«
»Mrs. Radke, ich muß doch sehr
bitten!« Stutterbold kriegt einen richtigen roten Kopf. So wütend ist er. Es
ist falsch, so wütend zu werden. So viel Wut muß auffallen. Er weiß das und
ärgert sich über seine Wut.
»Erika, bitte, sei nicht
kindisch, du bist zwanzig oder doch so gut wie«, sagt die Radke, aber sie
denkt, »Komisch ist das schon, wie er seinen albernen Schrank da bewacht«.
»Wenn Mr. Stutterbold keinen
Spaß versteht«, mault Erika.
»Es muß der Klimawechsel sein.
Das Kind ist wie närrisch, seitdem wir an Bord sind. Vorhin..., also stellen
Sie sich vor, vorhin guckt sie doch durchs Fernglas, wir standen auf dem
Promenadendeck, und plötzlich sagt sie: ›Die kleine Blonde da eben‹, sagt sie,
›die sah aus wie unsere Beatrix.‹ Töricht so etwas.«
»Sehr töricht, in der Tat.«
Stutterbold muß sich dreimal räuspern, so belegt ist seine Stimme plötzlich.
»Was wollte sie eigentlich
machen, unsere Nichte, also wegen dem Erbe? Hat sie das Ihnen eigentlich
verraten in New York?«
»Sie wollte«, lügt Stutterbold
und räuspert sich noch mal, »heim zu ihren Eltern. Nach Stuttgart. Und dort
wollte sie eine Kur machen.«
»Sie wissen nicht zufällig, was
für eine?«
»Weizen, irgendwas mit
Weizenbrei, glaube ich.«
»Ach du liebes mein
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