Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Erika. Sie ist
ja allein. Und dann entdeckt sie die lose Kunststoffplatte an der kassettierten
Decke. Dahinter tut sich ein Hohlraum auf, durch den Röhren laufen. Sie geht
zur Tür, lauscht in den Gang hinaus, öffnet ihren Koffer, entnimmt ihm ein dickes
in Cellophan gehülltes Paket. Sie praktiziert das Paket in den Hohlraum und
schiebt die Kunststoffplatte davor.
In dem Paket sind 3 Pfund
Himbeerbonbons (gefüllt), 8 Tafeln Krokantsplitter (mit Glasur) und 4
Schachteln Fridolin’s Katzenzungen (aus reiner Alpenvollmilch).
»Der Onkel Doktor hat gesagt, wir müssen saufen.«
Aber man
darf auch mümmeln, schrothen, hausern
oder rohe
Kartoffeln pressen.
»Prost«, sagt Trixi, hebt ihr
Glas und nimmt ein Schlückchen. In ihrem Glas ist 69er Bernkasteler Doktor
(Orginalabfüllung Weingut Spitz).
»Prost«, sagten die Schwestern
Nielsen und lassen die Gläser ziemlich hell erklingen.
Es ist 9 Uhr früh. Die Sonne
fällt schräg durch die spiegelblanken Scheiben des Speisesaals 2. Klasse. Das
Wasser dort draußen vor den Fenstern schimmert bläulich-grünlich und wogt. Oder
wie das Schwarze Brett beim Zahlmeisterbüro es ausdrückt: »Meer nordwestwellig.
Geschwindigkeit 21 Knoten. Wind NW 4. Kurs 028°.« Das Brausen des Meeres
vermischt sich mit dem Singsang der Schiffsmaschinen. Es ist eine besänftigende
Melodie, und jeder Passagier liebt sie, sofern er nicht in der Nähe des
Maschinenraumes wohnt.
Trixi greift zu der Flasche mit
dem goldfarbenen Etikett und schenkt nach. »Der gute alte Schroth«, sagt sie,
»ist zwar schon lange tot...«, sie unterbricht sich, meint verwundert: »Reimt
sich sogar. Ich bin eine Dichterin. Aber wenn er auch schon tot, der Herr
Schroth, reimt sich schon wieder, er soll trotzdem leben, und zwar hoch.
Prost!« Das heißt sie will »Prost« sagen, sagt aber »Hupp«.
9 Uhr früh ist selbst für ein
Kreuzfahrtschiff zu früh zum Zechen. Trixi aber muß zechen. Der Arzt hat es ihr
verschrieben.
»Kennen Sie Johann Schroth?«
hatte der Schiffsarzt gefragt als die Passagiere sich für die einzelnen
Schlankheitsdiäten einschrieben.
»Nein«, hatte Trixi gestehen
müssen.
»Schroth war ein Landwirt und
erfand die Schroth-Kur. Dabei müssen Sie trinken, um abzunehmen, und zwar Wein.
Wollen Sie schrothen?«
»Ich will schrothen«, hatte
Beatrix geantwortet und ganz rasch den Finger gehoben. Erst später erfuhr sie,
daß man außer Weintrinken auch uralte Brötchen muffeln muß (ein Tag trinken,
ein Tag muffeln), aber da stand ihr Name schon drin in der Diätliste.
»Prost«, sagt Trixi und »Prost«
können auch Sie sagen, wenn Sie Ihre Pfunde mit Hilfe des Johann Schroth
loswerden wollen. Schroth war Landwirt und Schlesier und kam vor hundert Jahren
auf die menschenfreundliche Idee, die Schroth-Kur zu erfinden. Bei dieser Kur wird
man zu etwas gezwungen, was man auch freiwillig tun würde: Man muß Wein
trinken.
Aus diesem Grund hat das
Schroth-Sanatorium in Oberstaufen ständig Hochsaison. Deutschlands Dickerchen
strömen zu jeder Jahreszeit herbei, füllen die Becher mit goldenem Wein, ja dem
goldenen und...
Und jetzt kommt das Und.
Gezecht werden darf nämlich nur an jedem geraden Tag, also am zweiten, vierten,
sechsten und so fort. An den ungeraden Tagen müssen Sie Brötchen kauen.
Knochentrockene, altbackene Brötchen! Vollkornbrot darf es auch sein. Was die
Angelegenheit aber nicht weniger trocken macht.
Auf keinen Fall dürfen Sie
mogeln. Das heißt, wenn es nicht rutschen will, dürfen Sie nicht nachspülen.
Noch nicht mal mit Wasser. Sie müssen so lange kauen, bis sich die nötige Menge
Speichel gebildet hat. Die Speichelabsonderung nämlich sorgt dafür, daß Sie
sich an den Trockentagen nicht wie in der Wüste vorkommen. Mit anderen Worten:
Der Speichel mindert das Durstgefühl.
Übrigens: Sie dürfen so viele
Brötchen essen, wie Sie wollen. Mehr als 6 bis 7 Stück schaffen Sie doch nicht.
Was ungefähr 500 bis 600 Kalorien entspricht. Begrenzt dagegen ist der
Weinkonsum: 1 ½ Liter pro Tag. Wobei es keine Rolle spielt, ob er weiß oder rot
ist, nur herb muß er sein (1 ½ Liter Wein sind etwa 1200 Kalorien).
Eine Schroth-Kur läßt nicht nur
das Fett schmelzen, sie bringt auch den Wasserhaushalt des Körpers in Bewegung.
Dauer: Bis zu 6 Wochen. Unbedingtes Gebot: Ärztliche Aufsicht.
Gestern war Brötchenmuffeltag,
heute ist gottlob Weintrinketag. »Uns ist er-laubt«, meint Trixi und spricht
außerordentlich
Weitere Kostenlose Bücher