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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Göttchen«,
fährt es Frau Radke heraus. »Die Weizen-Gel-Spezialkur«. Das hatte die Nichte
doch schon mal probiert. Ohne Erfolg, wie man in Frankfurt erfahren hatte. Sie
wird auch diesmal keinen Erfolg haben. Niemand kann abnehmen, wenn er in einer
Metzgerei arbeitet. Und wenn es auch nur als Buchhalterin ist.
    Sie ist plötzlich fabelhaft
guter Laune, hakt sich bei Stutterbold ein und sagt: »Na, denn wollen wir
mal...«
     
    Wohin sie will, das ist der
Grüne Salon auf dem Lidodeck. Im Grünen Salon pflegt der Kapitän seinen
Begrüßungscocktail zu geben. Auf gewöhnlichen Dampfern ist Martini in den
Gläsern oder Manhattan oder Whisky sour oder ein Sidecar. Auf der »Aphrodite«
ist Selleriesaft drin oder Hagebutte oder Grapefruitjuice oder einfach
Buttermilch. Aber die »Aphrodite« ist ja, wie schon betont, kein gewöhnlicher
Dampfer.
    »Seefahrt tut not«, hatte sich
ihr Reeder gesagt, »Schlankheit tut not, Seefahrt und Schlankheit zusammen tun
am nötigsten.«
    Doch wie diese beiden Begriffe
miteinander vereinen? Schließlich sind sie absolut konträr. Weil eine §eefahrt
nicht nur lustig macht, sondern auch dick. Jeder weiß das: sechs Mahlzeiten pro
Tag sind die Regel (1. Frühstück, 2. Frühstück, Bouillon an Deck, Lunch mit 6
Gängen, Nachmittagskaffee mit Teegebäck, Dinner mit 8 Gängen,
Mitternachtsbuffet). Und stundenlanges Liegestuhlliegen ist auch die Regel.
     
     
    » Tapetenkleister « bemerkte Trixi trocken, als man sie fragte wie denn eine Weizendiät munde. Nun,
wer schlank sein will, muß leiden, und mit »der Urkraft des reifen, goldenen
Weizenkorns«, wie die Reklame so lyrisch verkündet, leidet sich’s gar nicht so
übel, weil das sonst so quälende Hungergefühl nach wenigen Tagen verschwindet.
Außerdem muß man ja nicht wochenlang nur von Vollkorn leben, sondern sollte
lieber eine normale Mahlzeit am Tag damit bestreiten. Dann dauert es
zwar etwas länger mit gar Abnehmerei, hält aber auch länger an, das heißt, das
pro Woche geschmissene Pfund bleibt geschmissen. Welche Mahlzeit Sie zur
Weizenmahlzelt machen, bleibt Ihnen überlassen. Morgens fällt es jedenfalls am
schwersten. Berufstätige wählen meist den Abend.
    Weizendiät verringert nicht nur
das Gewicht, es entschlackt, entgiftet, reinigt den Darm und— ist spielend
leicht zuzubereiten. Jedenfalls haben Sie nicht den Verdacht, einen Diätkoch
engagieren zu müssen, wie bei manchen Wunderkuren.
     
    Merke: Damit der
»Tapetenkleister« besser rutscht, dürfen Sie ihn veredeln. Und zwar mit
Obstsäften oder Gemüsesäften oder geschabten Möhren oder geriebenen Äpfeln oder
mit Honig oder Traubenzucker.
     
     
    »Wenn man aber«, so hatte unser
Reeder messerscharf gefolgert, »die Passagiere hungern läßt, dann müssen sie
hungern. Weil es nämlich ringsum nichts anderes gibt als Salzwasser.«
    Der erste Schlankheitskreuzer
der Welt war geboren. Und tausend Dankbriefe von Kreuzfahrern, die als
Vollmatrosen an Bord und als Leichtmatrosen wieder von Bord gegangen waren,
bewiesen alsbald, daß es keine Fehlgeburt war.
    Im Grünen Salon herrscht
drangvolle Enge. Man steht herum, das zweckentfremdete Cocktailglas in der
Rechten, man macht sich bekannt, man plaudert. Alle sind sie Leidensgenossen.
Gemeinsamer Kummer verbindet. Verbindet noch mehr als gemeinsame Freude. Die
Stimmung ist gehoben: es ist eine Auf-zu-neuen-Ufern-Stimmung, eine
Wir-haben-alle-Brücken-hinter-uns-abgebrochen-Stimmung. Es sind die Brücken zum
Gestern, zu einem Gestern, das aus Schlemmerei bestand, aus reiner Gier und
bloßer Freßlust.
    »Hügeli«, sagt der Herr mit
Spiegelglatze und goldgeränderter Brille, »Beatus Hügeli aus Zürich.«
    »Angenehm«, sagt Frau Radke, »ich
heiße Rad...«— »ke« will sie noch sagen, aber ihr fällt ein, daß eine Frau sich
nicht vorzustellen braucht, selbst wenn der Mann sich vorgestellt hat, und die
verwaiste Silbe schwebt ungenutzt durch den Raum.
    »Es ging ja nicht mehr, es ging
auf keinen Fall mehr«, sagt Hügeli mit der Redseligkeit der Dicken. » Sie tanzte Charleston, ich guckte in die Röhre, sie hüpfte über den
Tennisplatz, ich schaute blöd drein. Sie machte dies und das, und ich machte nix, weil ich nix machen konnte.«
    Hügeli ist, wie man in seinen
Kreisen das nennt, umgestiegen. Er hat sich von seiner ersten Frau nach
18jähriger Ehe scheiden lassen (schuldig), um seine zweite in Kürze zu
heiraten. »Mulle« war so alt wie er, »Fee« ist so alt wie seine Tochter und
Mannequin.

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