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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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diesen Augen, die nicht nur
sehr schwarz sind, wie Trixi mehrfach feststellte, sondern auch sehr scharf.
    So scharf, daß sie in diesem
Moment den Chefmasseur der 2. Klasse beobachten, wie er einem Passagier ein
Kuvert zusteckt und dafür auffällig unauffällig einen Geldschein kassiert.
    Der Passagier hat leicht
vorstehende Zähne, einen schmalen s trichartigen Schnurrbart, und daß
er immer hüstelt, hört man auf zwanzig Schritt. »Warum soll der Masseur nicht
Trinkgeld nehmen«, denkt der Erste, »ist schließlich das gute Recht aller Leute
vom Service, und trotzdem und trotzdem...« Es ist ein sehr vager Verdacht, aber
es könnte nichts schaden, dem Schnurrbart ein bißchen mehr Aufmerksamkeit zu
widmen als normalerweise üblich.
     
    Jim Stutterbold geht den
Seitengang entlang und stellt sich in den Windschatten der Brücke. Er wirft
eine kurzen Blick über das Achterdeck, holt das Kuvert aus der Brusttasche
seines Blazers und reißt es auf. Auf dem Briefbogen, der links oben den
Prägedruck »TS ›Aphrodite‹, Globus Lines« trägt, steht: »Betr. Frl. B., Gew.
Abn. in 3 Tg.: 3,250 kg. Qualifikation: rapide.« Unterschrift unleserlich.
    Er stopft das Kuvert in die
Tasche, fährt sich nachdenklich mit den Fingerspitzen über den Schnurrbart. Das
Fräulein Beatrix, Qualifikation: rapide, rapide Gewichtsabnahme, guck an, wird
gleich zur Favoritin. Das heißt, noch fehlen die genauen Zahlen über Erika.
    Er blickt erschrocken auf seine
Armbanduhr: 10.07 Uhr. Für 10.00 Uhr ist das Wiegen angesetzt. Er eilt die
Treppe hinunter und strebt mit langen Schritten dem Gymnastiksaal zu, der am
Ende des Hauptdecks liegt.
    Im Gymnastiksaal findet an
jedem dritten Tag das Wiegen der 1. Klasse statt. »Wiegenfest« haben es die
Passagiere getauft. Auf einem Podium steht die geeichte und ärztlich geprüfte
Waage. Die Diätassistentin ruft nach einer Liste die Passagiere auf. Die
Passagiere haben deutlich mit »hier« zu antworten und die drei Stufen des
Podiums, auch »Schafott« genannt, zu erklimmen.
    Die Idee, das Wiegen zu einer
öffentlichen Veranstaltung zu machen, war eine Idee des Schiffsarztes.
    »Wir sollten«, so hatte er vor
den Herren der Schiffsleitung in einer internen Sitzung argumentiert, »wir
sollten den Kampf um das Gewicht zu einem Wettkampf machen. Es gilt den
Sportsgeist zu en tfachen, meine Herren, den Kaloriengeist, wenn Sie
mir den Ausdruck gestatten. Hat Herr Müller oder hat Madame Dupont
beispielsweise zwei Kilo geschmissen, dann, meine Herren, ist das eine
sportliche Leistung, ein Rekord sozusagen, und Rekorde verdienen öffentliche
Anerkennung, will sagen, rauf auf die Waage, gewogen und verkündet wie...«
    »...wie auf einer
Mastviehauktion«, hatte der Kapitän, ein grober Ostfriese, gebrummt.
    Der Erste Offizier hatte
mißbilligend mit dem Kopf geschüttelt. Der Ltd. Ingenieur und der
Oberzahlmeister hielten auch nichts von der Idee. Damit war sie so gut wie
gestorben.
    Nicht so beim Doktor. »Für
jedes abgenommene Gramm öffentliches Lob, klar, aber für jedes Gramm, das die
Herrschaften zunehmen sollten, dafür, meine Herren...«, und seine Stimme hatte
einen beschwörenden Klang angenommen, »dafür werden sie zur Kasse gebeten.
Sagen wir einmal pro Gramm ein Groschen Buße, das macht bei einem halben Kilo
bereits fünfzig Emm, macht am Ende der Kreuzfahrt ein hübsches Sümmchen. Und
wissen Sie, was wir mit diesem Sümmchen anfangen werden, meine Herren?«
    Niemand wußte es.
    »Einer Wohlfahrtsorganisation
werden wir es spenden. Ich weiß auch schon welcher. Was zum Beispiel halten Sie
von der Hilfskasse für Seemannswitwen und Seemannswaisen?«
    Niemand konnte wenig davon
halten. Jedenfalls wagte es keiner der Herren von der Schiffsleitung, den
Witwen der auf See gebliebenen Fahrensleute in den Rücken zu fallen. Womit der
Vorschlag des Doktors endgültig akzeptiert war.
    Stutterbold betritt den
Gymnastiksaal, als der »Greifer« auf der ärztlich geprüften Waage steht. Der
Fernsehstar, durch zu häufigen Genuß der Birne Hélène an der Produktion neuer
Krimifolgen gehindert, schaut blicklos in die Feme. In dieser Ferne sieht er
eine Kamera, die langsam auf ihn zufährt, »Achtung, Aufnahme! Ruhe bitte.
Kamera eins läuft!«, näher kommt das Objektiv, Großaufnahme und jetzt Kamera
zwei.
    »Genau 90 Kilo«, sagt der
Schiffsarzt, der den Wiegevorgang persönlich überwacht.
    Der Greifer erwacht aus seinen
Tagträumen. Er blickt an sich herunter, und was er sieht, macht ihn nicht

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