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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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denn jede neue hohe Welle schlug wieder in das Boot hinein. Mit Hemden und Tüchern winkten die Vietnamesen, und ein vielstimmiger Aufschrei, ein befreiendes Geheule antwortete, als das Signalhorn der Liberty aufdröhnte.
    »Maschine stopp!« signalisierte Larsson. Gleichzeitig schwenkte das Schlauchboot über die Reling, die Lotsenleitern rollten an der Bordwand ab, wie immer saß jeder Griff. Dr. Starke, aus dem Deckshaus stürzend, hieb die Fäuste gegeneinander, als er Anneliese schon am Kran stehen sah. In Ölzeug und Schwimmweste. Neben ihr wartete Stellinger, um als erster hinunter ins Schlauchboot zu klettern, das von den Wellen hin und her geschleudert wurde, ein Gummiball, mit dem das Meer spielte.
    »Sie sind verrückt, Anneliese!« rief Dr. Starke und faßte ihren Arm. »Sie bleiben hier!«
    »Sie haben eine Commotio, nicht ich! Fred hat angeordnet …«
    »Er kann mir nichts befehlen. Aber ich kann verhindern, daß Sie diesen Wahnsinn ausführen.«
    »Und wie wollen Sie das verhindern?« Stellinger kletterte jetzt die Lotsenleiter hinunter. »Sie können mich schließlich nicht niederschlagen«, versuchte Anneliese zu scherzen.
    »Nicht Sie, aber Fred! Anneliese, ich schwöre Ihnen: Wenn Sie ins Boot klettern, nehme ich mir Fred vor. Ohne Rücksicht auf das, was dann folgt! Es ist ein Verbrechen, Sie loszuschicken!«
    »Ich tue es freiwillig.«
    »Anneliese.« Dr. Starke packte sie an den Schultern. »Ich bitte Sie …«
    Die Liberty war jetzt so nahe an das breite, flache Flußboot herangetrieben, daß eine Verständigung möglich war. Hung stand an der Bordwand und rief durch das Megaphon hinüber, Ruhe zu bewahren und Frauen und Kinder zuerst in das Schlauchboot zu lassen. Dann die Verletzten und die Schwachen, die sich nicht mehr aus eigener Kraft bewegen konnten. Stellinger war in das Schlauchboot gesprungen und band es an der Lotsenleine fest. Er winkte nach oben. Alles klar.
    Dr. Starke stieß Anneliese von sich, sie stolperte und wäre hingefallen, wenn Kroll sie nicht aufgefangen hätte. Mit einem Satz war Starke an der Lotsenleiter und schwang sich über Bord. Als habe er zeit seines Lebens nichts anderes geübt, kletterte er schnell und sicher hinunter und sprang neben Stellinger in das Gummiboot. Stellinger warf den Motor an, und auf den Wellen tanzend ratterten sie zu dem Flüchtlingskahn und den winkenden, jubelnden Menschen.
    Wie bei allen Rettungen verlief die Übernahme reibungslos. Das Flußboot trieb längsseits der Liberty, das Schlauchboot diente als Fender, damit der alte Holzkahn bei diesen hohen Wellen nicht an der Bordwand zerschellte, und dann kletterten zuerst die Frauen und die größeren Kinder an Bord, während Kroll die kleinen Kinder in einer Art Rucksack auf dem Rücken die Leiter hinauftrug. Dr. Starke kümmerte sich um die Verletzten, die regungslos auf dem Boden im Wasser lagen und ihn apathisch anstarrten. Dr. Herbergh, Anneliese und v. Starkenburg zogen die total geschwächten Menschen an Deck und warfen sofort Decken über sie. Hung und Xuong wiesen ihnen den Platz zu, auf dem sie warten sollten. Als letzte holte man in den Rettungssäcken die Verletzten an Bord, neun Männer, die meisten mit Knochenbrüchen. Starkenburg und Kroll brachten sie sofort ins Hospital. Dort hatten Julia und Pitz alles zur ersten Versorgung vorbereitet. Es gab keinen Leerlauf, die Präzision war vollkommen.
    Dr. Herbergh wartete, bis als letzter Dr. Starke über die Lotsenleiter an Bord kletterte. Die Notarzttasche pendelte vor seiner Brust.
    »Dreiundfünfzig Flüchtlinge«, sagte Starke schwer atmend. Er sah miserabel aus. Die Augen lagen in tiefen Höhlen und waren dunkel umrandet. Erschöpft lehnte er sich gegen die Bordwand. »Davon neunzehn Frauen und zehn Kinder. Fünf Verletzte. Alles Frakturen. Einer hat innere Verletzungen, er spuckt Blut.«
    »Und einer kann einen bleibenden Hirnschaden behalten. Sie! Wir sprechen uns noch, Wilhelm!« Dr. Herbergh war sichtbar erregt. Dr. Starke nickte schwach. Die plötzliche Müdigkeit in ihm war wie eine Lähmung.
    »Ganz in meinem Sinne, Fred. Wir sprechen uns noch.«
    Er blickte Dr. Herbergh nach, der zum Deckshaus rannte. Einen Moment verschwamm alles vor seinen Augen, verdunkelte sich zu einem tiefen Grau, und als das Bild wieder klar wurde, blickte er in Annelieses Gesicht. Er versuchte ein Grinsen, aber es mißlang völlig. Sein Gesicht wurde zu einer Fratze.
    »Wer ist hier der Wahnsinnige?« fragte Anneliese.
    »Ich hätte nicht

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