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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hing noch immer an seiner Haltestange und würgte trocken.
    »Hung, jetzt gibt es Arbeit!« sagte Dr. Starke zu ihm. »Wir werden dein Kabuff in ein Ordinationszimmer umfunktionieren.« Er klappte den Koffer wieder auf, nahm die Schienen vom Boden und setzte sich auf einen Schemel. Einen zweiten Schemel schob er vor sich hin. »Lös dich von deiner Stange und ruf die Verletzten herein. Einen nach dem anderen, die Kinder und Frauen zuerst.«
    »Ich kann nicht, Doktor.« Hung verdrehte wieder die Augen. Seine Stimme klang jämmerlich. »Ich rolle doch weg …«
    »Dann roll zu Lager I und ruf die Kranken auf.«
    »Ich bin zu schwach, Doktor. Sehen Sie doch, ich bin am Ende.«
    Dr. Starke beugte sich etwas vor, mit triefenden Augen hielt Hung seinem Blick stand.
    »Paß mal auf, Hung«, sagte Starke ganz ruhig und betont, »wenn du jetzt nicht aufstehst und die Verletzten hereinholst, nehme ich an, daß du schwer krank bist. Und dann knalle ich dir eine Spritze in den fetten Arsch, daß du den Gesang der Engel hörst. Haben wir uns verstanden?«
    »Doktor«, Hungs Augen weiteten sich, er war dem Weinen nahe, »meine Beine tragen mich nicht mehr. Herr Doktor …«
    »Auch dagegen gibt es Spritzen.« Starke markierte zwischen seinen Händen ein Maß. »So 'ne Dinger, und dann hüpfst du wie ein Floh!«
    »Ich sterbe.« Hung stemmte sich an der Stange hoch, stand schwankend auf den Beinen, sein gewaltiger Bauch wurde von Zuckungen erschüttert. An der Wand entlang tastete sich Hung weg und verschwand im Gang zu den Lagern. Es sah aus, als rolle ein riesiger Kloß über den Boden.
    Sechs Stunden arbeitete Dr. Starke. Er salbte Kinder mit Prellungen an Schultern und den Extremitäten ein, umwickelte Verstauchungen mit elastischen Binden, verpflasterte Risse, gab Schmerztabletten aus, und was er Dr. Herbergh nur vorgelogen hatte, wurde Wahrheit, auf zwei Helfer gestützt, humpelten drei Unterschenkelbrüche und zwei Armbrüche zu ihm herein. Dr. Starke gab jedem eine Lokalanästhesie, fixierte die Brüche notdürftig und schiente sie. Hung übersetzte würgend, was Starke ihnen erklärte: »Das ist nur ein Notbehelf. Wenn das Wetter besser ist, müßt ihr ins Hospital kommen. Hier kann ich den Bruch nicht richten. Das kann ich nur im Hospital machen. Die Schiene ist nur dazu da, damit ihr eure Knochen ruhig haltet.«
    Zu Beginn der sechsten Stunde rief Dr. Herbergh an. »Wie ich höre, sind Sie gut angekommen.«
    »Das fällt Ihnen aber spät ein«, sagte Dr. Starke sarkastisch.
    »Im anderen Falle hätten wir Ihnen doch nicht helfen können. Ist viel bei Ihnen los?«
    »Ich würde sagen: ein normaler Tag in einer Großstadt-Unfallklinik.«
    »Und das allein! Soll ich Ihnen Pitz rüberschicken?«
    »Wenn er auf dem Weg nicht weggeblasen wird …«
    »Wir haben für den Notfall alle einen breiten Leinengürtel mit Karabinerhaken und Laufring bekommen. Wenn Pitz sich in das Seil einhakt, kann nichts passieren. Da saust er über Deck wie eine Rettungshose. Larsson hat sich daran erinnert, daß er solche Gürtel an Bord hat.«
    »Ein Goldjunge, dieser sture See-Elefant. Wenn die Sache ganz sicher ist, schicken Sie Pitz zu mir rüber. Per Seilpost. Schönen Dank, Fred.«
    »Und wie geht es Ihnen, Wilhelm?«
    »Arbeit ist wie belebendes Ozon.«
    »Der Kopf?«
    »Ist noch dran und kann normal denken. Ich habe laufend injiziert, die Hand ist sicher. Auch bei intravenösen Injektionen. Das geht übrigens sehr rhythmisch. Das Schwanken des Schiffes muß man als Walzer ansehen. Als Dreivierteltakt. Beim zweiten Schlag einstechen, beim dritten rutscht die Nadel von selbst in die Vene.«
    Dr. Herbergh lachte und legte auf. Starke wandte sich dem nächsten Verletzten zu, eine Frau, die einen dick geschwollenen Knöchel vorzeigte. Aber bevor er einen Alkoholverband anlegen konnte, wurde er von einem Mann unterbrochen, der fuchtelnd ins Zimmer stürzte. Heiser brüllte er herum und ruderte mit den Armen.
    Hung übersetzte: »Herr Doktor, die schwangere Frau Phung hat plötzlich Wehen bekommen. Das Kind kommt. Nguyen sagt, man sieht schon den Kopf. Aber jetzt ist er festgeklemmt.«
    »Scheiße, auch das noch!« Dr. Starke griff nach seinem Arztkoffer. »Gleich wird Pitz herunterfallen, Hung. Er soll den Knöchel weiter verbinden. Wo liegt die Gebärende?«
    »Lager III.«
    »Wenn Pitz fertig ist, soll er nachkommen.«
    Dr. Starke winkte dem aufgeregten Mann. Er verstand, was der Doktor wollte und lief voraus. Starke rannte ihm hinterher.
    Am

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