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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lesen!«
    »Sie haben auch eine Frau und vier Kinder, Herr Kapitän.«
    »Aber sie sind Schweden.«
    »Und Menschen – wie diese verzweifelten Flüchtlinge!«
    »Schreien Sie das den Politikern ins Gesicht, aber nicht mir. Ich habe keine bindenden Beschlüsse gefaßt. Verlassen Sie die Brücke, Lars.«
    »Sie stoppen also nicht, Herr Kapitän?«
    »Nein.«
    »Ich werde Sie noch in Hongkong anzeigen und abmustern!«
    »Das können Sie, Erster. Und jetzt halten Sie den Mund! Seien Sie kein Don Quijote und rennen gegen Windmühlen an! Auch Sie fliegen aus dem Sattel. Und schlagen Sie sich den dusseligen Traum von Humanität aus dem Kopf. Davon spricht man nur vor den Wahlen –, hinterher geht es nur noch um nationale Interessen. Und die sehen so aus, wie Sie's gerade erleben. Zum Teufel, warum rede ich so viel?! Verlassen Sie endlich die Brücke, Lars!«
    Und auch die Elena Holmsson fuhr an dem kleinen Boot vorbei.
    Xuong, der durch einen Spalt des Verschlages gespäht hatte, drehte sich weg und setzte sich zu den anderen. »Wie immer«, sagte er in die fragenden Gesichter hinein. »Verliert nicht den Mut. Einmal müssen wir auf einen Menschen treffen!«
    Nun, in der zwanzigsten Nacht, bei dreimal drei Löffel Wasser am Tag, schimmeligem Brot und einer Handvoll Nudeln pro Person, gab es keine Hoffnung mehr. Sie waren von der Schiffahrtsstraße weggetrieben worden, sie sahen kein Schiff mehr, nur noch die Piraten konnten sie auffischen, und das war schlimmer als der Tod.
    »Ja«, sagte Cuong mit fester Stimme. »Ich werde zuerst Thi und mit ihr das Kind in ihrem Leib töten und dann mich. Und so werden wir es alle tun.«
    »Nur noch zwei Tage, wartet damit noch zwei Tage!« antwortete Xuong. »Ich verspreche dir: Ich gebe euch das Signal, indem ich mich zuerst mit dem Messer töte. Dann wißt ihr, es gibt wirklich keine Hoffnung mehr.«
    »So soll es sein.« Cuong gab Xuong die Hand und drückte sie fest. »Du hast mehr getan, Lehrer, als sonst ein Mensch tun kann.«
    Dr. Starke kam von seinem Rundgang unter Deck zurück, setzte sich unter das Sonnensegel in einen Liegestuhl und sehnte sich nach einem kühlen Drink. Wenig Fruchtsaft und viel weißer Rum, das wäre jetzt das richtige. Die Sonne brannte aus einem Himmel, der wie geschmolzenes Blei aussah, das Meer lag schwach bewegt und blaugolden unter ihm, die träge Fahrt des Schiffes übertrug sich auf die Menschen und machte schläfrig. Tatsächlich war Dr. Starke im Augenblick zu faul, sich seinen ersehnten Drink aus der Bar im Speiseraum zu holen. Er blicktge über das Achterdeck, ob jemand kam, der ebenos von Langeweile erfaßt worden ar wie er und unter dem Sonnensegel einen luftigen Platz suchte.
    Die tägliche Visite war vorbei. Seinen Patienten, neun Frauen und vier Kinder, ging es den Umständen entsprechend gut. Zwei Knochenbrüche waren dabei, ein Arm und ein Unterschenkel links, eine Fehlgeburt und eine Nierenentzündung. Bei der totalen Schwäche der Patientin war die Fehlgeburt schon ein Problem geworden. Dr. Anneliese Burgbach, die Anästhesistin, hatte Bedenken gehabt, eine Narkose einzuleiten.
    »Sie ist so desolat, daß sie die Narkose womöglich nicht verkraftet«, hatte sie gesagt.
    Und Chefarzt Dr. Herbergh hatte geantwortet: »Aber doch nicht bei Ihnen, Anneliese. Sie sind eine Künstlerin der Anästhesie.«
    »Hier haben wir ein wirklich großes Risiko.«
    »Ich kann doch nicht an einer Nichtnarkotisierten arbeiten. Das bringt sie völlig um in ihrem Zustand.«
    Dr. Burgbach hatte es dann doch gewagt und die Narkose so gekonnt gesteuert, daß sie mit einem Mindestmaß des Gemischs aus Sauerstoff und Lachgas auskam. Die junge Frau blieb in einem halbwachen Zustand, aber sie spürte nichts von der Ausschabung des Uterus.
    Anneliese Burgbach. Dr. Starke dehnte sich in seinem Liegestuhl und wünschte sich, eine gute Fee möge ihn jetzt fragen, welchen Wunsch sie ihm erfüllen könne. Anneliese soll kommen und sich neben mich legen, hätte er geantwortet. Und sie soll anhören, was ich ihr schon so oft gesagt habe, ohne abzuwinken und mit einem Lachen wegzugehen. Das wäre mein einziger Wunsch, gütige Fee.
    »Das ist ja wieder ein wunderschöner Misttag«, ertönte eine tiefe Stimme hinter ihm. Dr. Starke faltete ergeben die Hände über seiner Brust. Stellinger, dachte er. Franz Stellinger. Oberbootsmann. Es gibt keine Wunschfeen mehr. Wo Stellinger auftauchte, gab es auch Karten. Siebzehnundvier war sein Lieblingsspiel, darin war er ein Meister.

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