Das goldene Meer
Schleichen.
Über die Wellen tanzend knatterte das Schlauchboot zurück zur Liberty.
Als erster kletterte v. Starkenburg an Deck, winkte mit grünlichem Gesicht ab, als Stellinger etwas fragen wollte und warf den Transportsack hinunter, mit dem man sonst gehunfähige Flüchtlinge aufs Schiff zog. Nur zu einem Satz war er fähig: »Oberbootsmann, jag die Weiber weg.«
»Aufziehen!« rief aus dem Gummiboot Fritz Kroll. »Ist alles klar, Herbert?«
»Bitte gehen Sie weg, Frau Doktor«, sagte v. Starkenburg elend. »Bitte …«
»Herbert, ich habe als Ärztin schon vieles gesehen.«
»Trotzdem.« Aus dem Deckhaus kamen jetzt Dr. Herbergh und Büchler, Larsson war auf der Brücke geblieben und beobachtete die ganz langsam davonschwimmende Yacht. Starkenburg würgte immer noch.
»Hieven!« brüllte von unten Fritz Kroll. »Was ist denn da oben los?«
Stellinger drückte auf den Starter des kleinen Elektrokrans. Der Motor sprang an und begann das Seil auf eine Rolle aufzuspulen. Der Sack mit dem Körper schwebte an der hohen Bordwand langsam nach oben. Neben ihm kletterte Dr. Starke die Lotsenleiter hinauf, schneller, als der Kran zog. Er sprang an Deck, wischte sich mit beiden Händen über die Augen und starrte dann Anneliese, Dr. Herbergh und Büchler an.
»Heute besauf' ich mich!« sagte er schwer atmend. »Jetzt gleich! Das kann man nur als Besoffener ertragen. Als sinnlos Besoffener. Anneliese, gehen Sie weg.«
»Nein! Jeder will mich hier wegschicken! Ich bleibe!«
Dr. Starke nickte. Mit einem fast irren Blick sah er um sich, entdeckte, daß einer der Vietnamesen eine leichte Decke über seinen nackten Oberkörper gelegt hatte, als Schutz vor der brennenden Sonne, riß ihm die Decke vom Körper und warf sie über den Transportsack, der jetzt aufs Deck schwenkte. Stellinger löste die Haken, warf einen Blick auf den Inhalt des Sackes und verfärbte sich auch.
»Herbert!« sagte er zu Starkenburg. »Hol das Boot ein. Ich muß zum Käpt'n!«
Dann rannte er zum Deckhaus, als jage man ihm hinterher.
Fritz Kroll kletterte über die Bordwand an Deck und warf Dr. Starke einen dankbaren Blick zu. Unter der Decke sah man nicht, was im Transportsack lag.
»Packen wir's, Fritz«, sagte Dr. Starke, als seien sie allein und nicht von einer dichten Menschentraube umgeben. »Hinüber ins Hospital. In … in den Waschraum …«
Sie bückten sich, hoben den Sack auf und trugen ihn ins Deckhaus. Sie gingen durch eine Gasse schweigender Menschen … so still war es auf dem Schiff, daß man das leise Klatschen der Wellen gegen die Bordwand hörte. Nur die nasale Stimme von Vu Xuan Le durchdrang das Schweigen.
»Ich habe es euch gesagt: Er macht euch lächerlich. Und eine Warnung ist es auch. Truc ist unverwundbar. An Truc kommt keiner ran. Er ist hier der Herr!«
Le sagte es auf englisch, die wenigsten seiner Landsleute verstanden ihn, und die ihn verstanden, nickten nur stumm.
Dr. Herbergh blickte Le forschend an. »Was wissen Sie von dem, was eben geschehen ist?«
»Nichts, Sir. Aber Truc ist ein Vietnamese. Und wir kennen unsere Grausamkeit. Nur sehen wir sie anders als Sie …«
Dr. Herbergh zog die Schultern hoch, als streife ihn eisiger Hauch, nickte dann Anneliese und Büchler zu und folgte durch die Gasse der schweigenden Menschen dem Sack mit dem menschlichen Körper. Das Meerwasser tropfte aus ihm heraus und bildete eine dünne Spur. Ein Klopfen und Vibrieren begleitete sie, auch die Liberty hatte die Motoren angeworfen und lief nun mit Trucs Yacht Seite an Seite.
Eine Viertelstunde später erschien Dr. Herbergh auf der Brücke. Er hörte noch, wie Kapitän Larsson brüllte: »In Manila mustern Sie ab, Oberbootsmann! Ich will Sie nicht mehr an Bord sehen! Mir ist egal, ob das Komitee Sie engagiert hat. Auf dieses Schiff kommen Sie nicht mehr. Das ist mein Schiff!« Er fuhr herum, als er Dr. Herbergh sah, und stieß mit der Faust in Richtung Stellinger. »Stecken Sie ihn irgendwohin. Ich will den Kerl nicht mehr um mich haben! Dieser Vollidiot will mich zwingen, den Piraten zu rammen … Droht mir mit einer Meuterei … Weg von der Brücke, Stellinger!«
»Ich kann ihn verstehen«, sagte Dr. Herbergh gepreßt. »Ich würde – wenn ich könnte – diesen Truc auch ins Meer drücken!«
»Sie auch?« Larsson hieb mit der Faust auf den Kartentisch. »Ihr Deutschen! Immer Sprung auf, marsch, marsch.«
»Sie haben nicht gesehen, Larsson, was wir an Bord geholt haben.«
»Ich vermute, einen Toten! Ich bin
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