Das goldene Meer
doch nicht blind. Die drei anderen lassen Sie wegtreiben. Nur fragt sich jeder, warum man ihnen Schwimmwesten übergezogen hat.«
»Damit sie nicht untergehen, Larsson. Damit wir sie als Anschauungsmaterial auffischen. Kommen Sie mit und werfen Sie auch einen Blick auf Trucs Botschaft.«
»Sagen Sie mir's, Doktor.« Larsson blickte hinüber zu der weißen Yacht. In langsamer Fahrt fuhren sie nebeneinander, mit dreihundert Meter Abstand. Der Autopilot hielt die vorgegebene Richtung ein. »Ich bin jetzt auf der Brücke wichtiger.«
»Es ist eine Frau.« Herberghs Stimme war leise und rauh. »Sie muß einmal eine hübsche Frau gewesen sein. Noch jung, so um die Zwanzig herum. Man hat ihr beide Brüste abgeschnitten.«
Larsson atmete tief durch die Nase ein. »Hören Sie auf, Doktor. Es genügt.«
»Es genügt noch lange nicht! Man hat ihre Scheide bis zum Nabel aufgeschlitzt.«
»Sie sollen aufhören, Doktor!«
»Und dann hat man ihr die Kehle durchgeschnitten, von Ohr zu Ohr, der Kopf hängt nur noch an den Nackenwirbeln. Auch Sie, Larsson, werden wie Herbert kotzen, wenn Sie das sehen! Da drüben«, Herberghs Arm schnellte zur Seite, »keine dreihundert Meter weit, fährt der Satan neben uns her. Das ist kein Mensch, Larsson … das ist eine Mordmaschine! Dr. Starke sagt, auch den drei Männern war die Kehle durchgeschnitten. Und Sie fahren Seite an Seite mit diesem Teufel spazieren!«
»Was verlangen Sie von mir?« Larssons sonst brüllende Stimme klang gepreßt. »Soll ich ihn rammen?!«
»Wenn Sie Mut im Hirn und eine mitfühlende Seele hätten, ja! Ich würde jetzt das Steuer herumreißen und auf ihn losgehen. Niemand wird es erfahren. Wir sind weit und breit allein. Und wir säubern diese Welt von einem Monstrum!«
»Sie sind Arzt und kein Seemann.«
»Das ist doch keine Antwort, Larsson!«
»Und was für eine Antwort das ist! Soll ich Ihnen die Tatsachen aufzählen? Erstens: Wenn ich jetzt auf Kollisionskurs gehe, läuft mir der Bursche hohnlachend davon! Er ist doppelt so schnell wie wir, mindestens doppelt! Zweitens: Diesen trägen Containerkahn herumschwenken, ist, bei voller Kraft, etwa so, als wenn ein Ochse in einer Wüstenoase das Wasserrad dreht. Ja, der Ochse ist sogar ein flottes Bürschchen gegen uns! Drittens: Es heißt, Truc sei schwer bewaffnet. Was sind wir? Null! Abgesehen von sechs Gewehren und einigen Pistolen! Er kann uns mit Mann und Maus versenken, mit dem gleichen Argument: Niemand sieht es. Weit und breit ist Einsamkeit. Da kann Buchs ruhig SOS funken oder in die Welt hinausschreien: Wir werden beschossen. Wir werden versenkt! Ehe hier jemand erscheint, liegen wir längst zerquetscht auf Grund. Und was dann? Das gibt für höchstens drei Tage einige dicke Schlagzeilen in der Boulevardpresse, und dann ist alles wieder vergessen. Da ist irgendein Filmstar geschieden worden, muß fünf Millionen Abfindung zahlen … das ist interessant! Davon lebt die Öffentlichkeit, nicht von einem versenkten Schiff weit weg vor Vietnams Küste. Und viertens: Ich bin gechartert worden, um Flüchtlinge aus dem Meer zu fischen, nicht um einen Privatkrieg zu führen und ehrenvoll, Hand an der Mütze, unterzugehen. Ich habe meinem Reeder gegenüber die Verantwortung für dieses Schiff, nicht Sie! Auch wenn Ihr Komitee täglich achttausend Mark in dieses Unternehmen buttert! Hier stimmt das Kräfteverhältnis nicht, Doktor. Da drüben eine Kanone, hier eine Pistole. Ich weiß, ich weiß, es hat euch deutschen Helden noch nie etwas ausgemacht, gegen Überlegene anzurennen, auch wenn ihr gewaltig auf die Schnauze gefallen seid. Ich bin kein Held, ich bin Kapitän eines Containerschiffes mit Sondercharter. Ist das klar, Doktor?«
»Völlig klar, Larsson. Und Sie haben sogar recht.«
»Danke.«
»Sie brauchen sich für Wahrheiten nicht zu bedanken.« Dr. Herbergh blickte hinüber zu der weißen Yacht. Es war ein Spiel, was sie mit ihnen trieb, ein grausames, mörderisches, infames Spiel, eine erniedrigende Demonstration ihrer Ohnmacht. »Warum kann man so ein Ungeheuer nicht vernichten?«
»Das Meer ist weit, an den Küsten liegen tausende Inseln und Buchten, die ein hervorragendes Versteck bilden, hinzu kommt die unbestreitbare Intelligenz von Truc und seine Grausamkeit, die jeden Verrat ausschließt. Und wer, bitte, sollte ihn verfolgen? Die Vietnamesen? Denen ist es gleich, was mit den Flüchtlingen passiert. Die Thailänder? Thailand ist ein reiches, neutrales Land, das sich nicht darum kümmern
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