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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ist längst vorüber, und ich bekomme Hunger.«
    Der Appetit war Walther vergangen. Trotzdem begleitete er Gisela nach unten, damit wenigstens sie etwas in den Magen bekam. Er selbst bestellte sich ein Bier. Doch als die Wirtin seiner Frau einen deftigen Linseneintopf mit gebratenem Speck vorsetzte, konnte auch er nicht nein sagen.
    Während des Essens brachte ihm der Sohn des Wirtes die Brieftasche mit seinen Papieren. »Die hat es auch erwischt«, sagte der Junge. »Sehen Sie hier, Ihr Pass! Der ist kaum mehr zu lesen.« Dabei entfaltete er das Dokument, das die braune Farbe des Schlammes angenommen hatte. Der geschriebene Text war zerlaufen und der Stempel kaum mehr zu erkennen.
    Das war ein herber Schlag. Mit einem solchen Pass würde kein Zöllner in ganz Europa Gisela und ihn über eine Grenze lassen. Also waren sie doch dazu verurteilt, sich nächtens auf versteckten Wegen von einem Land ins andere zu schleichen.

7.
    A m späten Nachmittag erschien der Halter der nächsten Poststation, um zu erfahren, was geschehen war. Zuerst sprach er mit dem Priester und klopfte dann an die Tür der Kammer, die die Wirtin Gisela und Walther zugeteilt hatte. Walther, der ebenso wie Gisela eingenickt war, schrak hoch und griff zur Pistole. Als er öffnete und nur einen großen, wohlbeleibten Mann mit betrübter Miene vor sich sah, atmete er auf.
    »Guten Tag, mein Name ist Bendhacke. Ich bin Posthalter in Fritzlar«, stellte der andere sich vor.
    »Angenehm. Artschwager mein Name«, antwortete Walther.
    »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich dieses Unglück bedauere. Sollten Sie zu Schaden gekommen sein, werden wir selbstverständlich Widergutmachung leisten.«
    Walther sah dem anderen an, wie peinlich ihm das Ganze war, und hob beschwichtigend die Rechte. »Meiner Gattin und mir ist nicht viel passiert. Einen Schaden haben wir allerdings, nur glaube ich nicht, dass Sie uns dabei helfen können. Einen Moment!« Rasch holte Walther seinen Pass und zeigte ihn Bendhacke. »Die Sache ist mir sehr unangenehm, denn ich weiß nicht, wie ich jetzt an einen neuen Pass gelange. Ich kann es mir schon von der Zeit her nicht leisten, bis in die Heimat zurückzufahren und die ganze Reise noch einmal anzutreten. Zudem müsste ich auch auf dem Rückweg mehrere Zollstellen passieren.«
    Bendhacke hob abwehrend die Hände. Wenn der Fahrgast in seinen Heimatort zurückkehren musste, würde seine Postlinie über die sonstige Entschädigung hinaus auch die Hinfahrt und den Teil der Reise bis zum Unglücksort bezahlen müssen. Dabei würde es ihm und den anderen Inhabern schon schwer genug fallen, den Schaden an der Kutsche und die verletzten Pferde zu ersetzen. Er überlegte kurz und sah Walther dann mit einem erleichterten Lächeln an.
    »Sie wollen doch nach Frankfurt am Main reisen. Dort gibt es einen preußischen Residenten, der Ihnen einen neuen Pass ausstellen kann.«
    »Dafür müssen meine Ehefrau und ich erst einmal über die weiteren Grenzen nach Frankfurt kommen«, wandte Walther ein.
    »Das wird sich machen lassen! Sie erhalten von unserer Postlinie eine Bescheinigung über dieses Unglück und Ihre beschädigten Papiere. Außerdem werden wir den Postillions Bescheid geben, damit die das auch den Zöllnern erklären. Auf diese Weise können Sie die Grenzen passieren und in wenigen Tagen Frankfurt erreichen.«
    Bendhacke schien erpicht darauf, alles zu Walthers Zufriedenheit zu regeln, und versprach ihm zudem, dass die Postkutschenlinie ihn und Gisela als Entschädigung für die Folgen des Unfalls selbstverständlich kostenlos nach Frankfurt bringen würde.
    Darüber war Walther recht froh, denn die Fahrt und die Übernachtungen waren weitaus stärker ins Geld gegangen, als er angenommen hatte, und er musste mit dem Rest ihrer Barschaft gut haushalten, um in Amerika nicht als Bettler anfangen zu müssen. Daher schieden er und Bendhacke recht zufrieden voneinander.
    Gisela war trotz seines Gesprächs mit dem Posthalter nicht wach geworden. Daher zog Walther sich vorsichtig aus, stieg auf der anderen Seite ins Bett und legte sich neben seine Frau. Wenn sie beide mit der Hilfe der Postkutschenlinie bis Frankfurt kamen, würde das Schlimmste hinter ihnen liegen. Mit diesem Gedanken schlief er ein und wurde erst wach, als es am nächsten Morgen an die Tür klopfte.
    »Herr Doktor Artschwager!«, hörte er den Wirtsjungen rufen. »Die Ersatzkutsche nach Frankfurt ist hier. Sie soll in einer halben Stunde losfahren.«
    »Danke!« Eine

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