Das goldene Ufer
heben. Doch wenn er es gegen den Willen des Knechts tötete, würde der Posthalter es sich von ihm bezahlen lassen. So viel Geld aber konnte er nicht entbehren, denn die Reise kostete ohnehin bereits um einiges mehr, als er veranschlagt hatte.
Daher führte er Gisela beiseite und bewachte die anderen Gäule, während der Postknecht das mitgeführte Gepäck und die Kisten mit der Post, die beim Umstürzen der Kutsche verstreut worden waren, zusammensuchte und neben dem Wagen aufstapelte.
5.
E s dauerte Stunden, bis Hilfe eintraf. Der Priester brachte jedoch nur den Dorfpolizisten des nächsten Ortes und einen Knecht mit, die auf einem von einem einzigen Pferd gezogenen Bauernwagen saßen. Das Ausmaß des Unglücks schien den wackeren Gesetzeshüter zu überfordern, denn er schüttelte ein ums andere Mal den Kopf und beklagte, dass er von seinem Mittagstisch weggeholt worden sei.
Der Knecht sah sich die Sache an und blies hörbar die Luft aus den Lungen. »Um den Gaul ist es schade. Aber Sie haben Glück, dass keiner der Passagiere verletzt worden ist.«
»Das stimmt nicht«, rief Gisela empört. »Mein Mann klagt über starke Schmerzen in Hüfte und Brust. Er ist zum Schlag hinausgefallen, und die Postkutsche ist auf ihn gestürzt.«
Der Dorfpolizist fand, dass er nun doch seine Autorität zeigen müsse. »In der Stadt gibt es einen Arzt, der sich um den Herrn kümmern kann, und dort befindet sich auch die nächste Poststation. Ich schlage vor, Peer bringt Sie ins Dorf, damit Sie sich im Gasthof erholen können. Dort wird auch der Bote, den wir losgeschickt haben, mit dem Posthalter erscheinen, der für Ihre Weiterfahrt sorgen muss.«
Der Geschäftsreisende beäugte den Bauernwagen misstrauisch und schüttelte dann den Kopf. »Auf so ein Ding setze ich mich nicht. Der Karren sieht ja aus, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen.«
»Der Wagen hat dreißig Jahre lang seine Dienste getan und ist immer noch so gut wie neu«, antwortete der Knecht beleidigt.
»Wenn Sie nicht aufsteigen wollen, müssen Sie zu Fuß gehen«, setzte der Dorfpolizist hinzu.
Walther wartete nicht, bis die Herren sich geeinigt hatten, sondern führte Gisela zu dem Wagen und half ihr hinauf. Anschließend reichte er ihr das Gepäck und kletterte dann selbst hinauf. »Hoffentlich streiten die sich nicht zu lange«, sagte er noch, da kam der Knecht mitsamt dem Priester heran. Während der Geistliche seine aus Tuch gefertigte Tasche hochhob, damit Walther diese in Empfang nehmen konnte, schüttelte der Polizist den Kopf.
»Der andere Herr will partout nicht mit auf den Wagen. Hat zu viel Gepäck dabei, sagt er und will eine Kutsche dafür haben. Also wird er warten müssen, bis eine hier erscheint.«
»Was ist mit dem Postillion?«, fragte der Priester.
»Der schläft immer noch seinen Rausch aus. Wird einen argen Kater bei ihm geben, wenn er wieder aufwacht. Der Posthalter wird sich den Gaul und den Schaden an der Kutsche bezahlen lassen und ihn dann zum Teufel jagen. Kann einem leidtun, der Mann. Aber weshalb musste er auch saufen wie ein Stier!« Damit hatte sich das Mitleid des Dorfpolizisten mit dem Postillion erschöpft, und er forderte den Knecht zum Losfahren auf.
»Ich bleibe hier und helfe dem armen Kerl, der sich um die Pferde kümmern muss. Wird, wenn er Glück hat, nicht Gehilfe bleiben, sondern selbst Postillion werden. Na ja, dem einen sein Leid ist dem anderen sein Freud’.«
Der Polizist tippte kurz an seinen Helm, als wolle er salutieren, denn drehte er sich um und kehrte zur Kutsche zurück.
Oben auf dem Wagen war der Wind stärker zu spüren, und Walther zog die Pferdedecke enger um sich. Dann aber dachte er an Gisela und wollte ihr die Decke reichen, aber sie wies dieses Angebot brüsk zurück. »Sieh doch, wie schmutzig du die Decke gemacht hast. Wenn ich mich darin einhülle, sehe ich hinterher aus wie ein Ferkel.«
Dann sah sie Walther erschrocken an und fasste nach seinen Händen. »Verzeih, ich wollte dich nicht kränken! Ich bin doch so froh, dass du das Unglück halbwegs überstanden hast. Sobald ich in eine Kirche gehen kann, werde ich der Heiligen Jungfrau dafür eine Kerze stiften.«
»Sie sind katholisch?«, fragte der Priester erstaunt.
Gisela nickte und holte das an ihrem Hals hängende Kruzifix heraus. »Dies hier hat mir eine fromme Nonne zu meiner Firmung geschenkt.«
»Dann lasst uns gemeinsam beten und der Heiligen Jungfrau danken, dass sie uns in dieser Fährnis ihren Beistand nicht
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