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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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halbe Stunde war sehr wenig Zeit. Walther weckte Gisela, die ihn zuerst verständnislos anstarrte und dann die Arme um ihn schlang.
    »Es war also Gott sei Dank nur ein Traum. Ich dachte schon, die umstürzende Postkutsche hätte dich erschlagen.«
    »Ich sagte doch, Unkraut vergeht nicht!«, antwortete Walther grinsend. »Nun aber müssen wir schnell sein. Die Kutsche fährt bald los.«
    »Ich muss zum Abtritt!« Gisela wollte rasch ihr Kleid überziehen, um das Zimmer verlassen zu können, doch Walther deutete auf das Bett.
    »Ich habe dort einen Nachttopf entdeckt. Benütze den, sonst brauchst du zu lange. Du willst doch gewiss noch etwas essen.«
    »Ja, aber vorher möchte ich mich waschen!« Ganz so schnell wie Walther hoffte, kam seine Frau nicht zurecht. Zuerst genierte sie sich, in seiner Gegenwart den Nachttopf zu benützen, und dann war sie bei der Körperpflege für seine Begriffe zu saumselig. Er selbst wusch sich nur kurz Gesicht und Hände, rasierte sich im Stehen vor einem halbblinden Spiegel und stieg, nachdem er sich angezogen hatte, die Treppe hinab.
    »Frau Wirtin, zwei Tassen Kaffee, wenn es recht ist, und machen Sie uns ein paar belegte Brote, die wir in der Kutsche essen können. Geben Sie eine Flasche leichten Fruchtweins dazu, denn wir werden auch Durst haben. Und du, Junge, sorge dafür, dass die Kutsche nicht ohne uns fährt.« Walther steckte dem Sohn der Wirtin einen Groschen zu und blickte dann angespannt nach oben, da Gisela sich noch immer nicht sehen ließ.
    Sie kam aber früh genug herab, um die Tasse Kaffee austrinken zu können, während das Horn des Postillions sie bereits nach draußen rief. Als sie in die Kutsche einsteigen wollten, trat der Gehilfe des Postillions auf sie zu.
    »Sie sind doch die Herrschaften, die gestern in der verunglückten Kutsche saßen?«
    »Das stimmt«, antwortete Walther.
    Der Mann reichte ihm einen Brief. »Mit den besten Empfehlungen von Herrn Bendhacke. Er musste leider noch gestern Abend aufbrechen und hat das hier für Sie zurückgelassen.«
    »Danke!« Walther nahm den Umschlag entgegen, half Gisela in die Kutsche und stieg hinter ihr ein.
    Der Sohn der Wirtin reichte ihnen das bestellte Vorratspaket und wünschte ihnen eine gute Reise. Dann erklang das Posthorn erneut, und die Kutsche nahm Fahrt auf.
    Es waren neue Passagiere in der Kutsche, drei Männer und eine Frau, und alle hatten bereits von dem Unglück gehört. Daher fanden Walther und Gisela sich den neugierigen Blicken ihrer Mitreisenden ausgesetzt.
    Schließlich fragte einer der Männer direkt danach. »Habe gehört, Sie hätten gestern Pech gehabt!«
    »Der Postillion war betrunken und hat ein Kutschenrad beschädigt. Das ist schließlich gebrochen, und so ist die Kutsche in den Graben gestürzt«, erklärte Walther.
    Ihn interessierte weitaus mehr, Bendhackes Brief zu lesen, als Fremden Rede und Antwort stehen zu müssen. Doch es verging über eine halbe Stunde, bis die Neugier der anderen befriedigt war und er sich dem Schreiben widmen konnte.
    Im Umschlag steckte eine Bescheinigung der Postkutschenlinie, dass seine Papiere durch die Schuld ihres Postillions beschädigt worden seien und die die Angaben des Herrn Dr. Artschwager voll und ganz bestätigen würde. Bendhacke war es trotz der Kürze der Zeit sogar gelungen, einen amtlichen Stempel und die Unterschrift irgendeines Magistratsbeamten einer Walther unbekannten Stadt zu beschaffen.
    Das zweite Blatt wies die Poststationen auf dem Weg nach Frankfurt an, Herrn Dr. Artschwager und seiner Gemahlin Vorrang vor allen anderen Fahrgästen einzuräumen, sie überdies kostenlos zu transportieren und mit Bett und Mahlzeiten zu versorgen. Zuletzt fand Walther noch eine schriftliche Entschuldigung Bendhackes im Namen der ganzen Postkutschenlinie. Es schloss mit dem Satz, dass man hoffe, der sehr verehrte Herr Dr. Artschwager würde bei seiner nächsten Reise wieder ihre Gesellschaft frequentieren.
    Dies, dachte Walther, würde wohl nie geschehen. Für ihn und Gisela gab es kein Zurück. Doch er war froh um diese Schreiben, bestätigten sie doch die gerade noch lesbaren Abschnitte seines Passes. Und diesen, dachte er in einem Anflug von Galgenhumor, würde nun selbst der eifrigste Grenzbeamte nicht mehr als Fälschung identifizieren können.

8.
    F ür zwei Menschen, die sich auf der Flucht befanden, reisten Walther und Gisela recht angenehm. Allerdings spürte Walther seine Verletzungen schmerzhafter, als er erwartet hatte, und er musste

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