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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Begleiterin.
    Gisela nickte mit verbissener Miene. »Ich halte schon durch! Wenn man eines bei der Infanterie lernt, so ist es Marschieren.«
    Für einen Augenblick erinnerten sie sich beide an die schier endlosen Straßen, auf denen sie mit dem Regiment Renitz gezogen waren, aber das Geräusch knackender Äste brachte sie rasch wieder in die Gegenwart zurück.
    »Ist es noch weit bis zum Forsthaus?«, fragte Gisela bang.
    Vor dem Tod seiner Mutter war Walther oft durch den Wald gestreift und hatte geglaubt, sich gut auszukennen. Doch beim Pilzesammeln hatte er die Übersicht verloren und hätte nicht einmal mehr zu sagen vermocht, ob sie auf dem richtigen Weg waren.
    »Wir müssten das Haus bald erreicht haben«, sagte er, um Gisela Mut zu machen. Gleichzeitig legte er die Rechte auf den Griff der Pistole und schwor sich, jedem eine Kugel aufzubrennen, der Gisela auch nur einen Schritt zu nahe kam.
    »Dort ist es!«
    Der Ruf des Mädchens erlöste Walther. Rasch eilten sie auf das Forsthaus zu, das aus schweren Balken gefertigt neben einer riesigen Eiche stand, und sahen erleichtert, dass Rauch aus dem Kamin aufstieg.
    »Wie es aussieht, ist Stoppel zu Hause«, rief Walther. Da sah er aus den Augenwinkeln einen Schatten auf sich zukommen und handelte instinktiv. Bevor der Kerl ihn erreichen konnte, streckte der Junge ihm die Pistole entgegen.
    »Stehenbleiben oder es knallt«, rief er dabei mit so fester Stimme, wie es ihm möglich war.
    Der Mann starrte auf die Waffe und blieb stehen. Sein Mienenspiel verriet Walther jedoch, dass sich andere Landstreicher seinem Rücken näherten, und er überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Mit einem Mal senkte er den Lauf der Pistole ein wenig, so dass dieser auf den rechten Oberschenkel des Mannes zeigte, und drückte ab!
    Als der Knall ertönte, zuckte Gisela erschrocken zusammen. Walther hingegen starrte auf den Landstreicher, der mit schmerzverzerrtem Gesicht zurücktaumelte.
    »Macht die beiden fertig!«, rief der Kerl seinen Spießgesellen zu.
    Bevor die Kerle sich in Bewegung setzen konnten, klang erneut ein Schuss auf, gefolgt von der zornigen Stimme des Försters. »Verschwindet, Gesindel! Sonst mache ich euch Beine.«
    Das ließen die unverletzten Landstreicher sich nicht zweimal sagen, sondern rannten, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Der Verletzte humpelte ihnen nach und verfluchte sie, weil sie ihn im Stich ließen.
    Während Walther erleichtert aufatmete und Gisela der Heiligen Jungfrau mit einem stillen Gebet dankte, feuerte Stoppel auch den zweiten Lauf seiner Büchse ab und schwang diese anschließend drohend durch die Luft.
    »Lasst euch ja nicht mehr in meinem Forst blicken, sonst lernt ihr mich kennen«, brüllte er dabei hinter den Fliehenden her. Dann kam er auf die Kinder zu und zerzauste Walthers dunkelblonden Schopf.
    »Gut gemacht, Junge! Du hast nicht nur die Nerven behalten, sondern auch mich mit deinem Schuss alarmiert. Wenn das Gesindel hier nicht verschwindet, werde ich den Grafen bitten müssen, Militär zu holen und den Wald durchkämmen zu lassen. Ich habe das Gefühl, als wären die Kerle nicht die Einzigen, die sich hier eingenistet haben. Daher solltest du in der nächsten Zeit gut auf dich aufpassen. Solches Gelichter ist rachsüchtig, und ich will nicht, dass dir etwas passiert.«
    »Ich werde achtgeben«, versprach Walther und steckte seine Waffe weg. »Sie ist leer geschossen. Haben Sie vielleicht Pulver und Blei, damit ich sie wieder laden kann, Herr Stoppel?«
    »Ich werde schon etwas finden. Aber jetzt kommt! In dieser Kälte tut ein Schluck warmer Holunderwein gut.«
    Erst jetzt spürten Walther und Gisela den eisigen Wind, der mit einem Mal zwischen den Bäumen hindurchstrich. Beide fröstelten und waren froh, als sie ins Forsthaus kamen.
    Förster Stoppel lebte allein in dem Haus, in dem vor ihm mehrere Generationen Fichtners ihre Pflicht erfüllt hatten. Die Einrichtung stammte noch von seinen Vorgängern und war sehr schlicht. Es gab nur zwei Zimmer, von denen das hintere dem Förster als Schlafraum und Arbeitsraum diente. Das vordere, etwas größere bildete Wohnraum und Küche. Auf dem Tisch lagen eine angeschnittene Wurst und ein halber Laib Brot. Daneben stand ein leerer Holzbecher. Stoppel holte zwei weitere Becher von einem Bord, füllte sie mit warmem Holunderwein und goss auch sich selbst ein.
    »Auf euer Wohl! Aber sagt Frau Frähmke, dass die Pilze in euren Körben die letzten sind, die ihr heuer sammeln

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