Das goldene Ufer
schlägt, gehe ich nicht mehr hin!«
Walther blieb stehen und fasste sie bei den Schultern. »So darfst du nicht denken! Einem Mädchen, das nichts weiß und nichts kann, bleibt nur, sich als Magd auf einem Gut oder Bauernhof zu verdingen. Der Lohn ist gering, und Schläge erhältst du dort dein Leben lang. Außerdem …«
Der Junge wollte ihr nicht erklären, was er noch aufgeschnappt hatte, denn dafür erschien Gisela ihm noch zu jung. Doch wenn sie nicht die Zähne zusammenbiss und das Wissen, das der Pastor ihr darbot, zusammen mit den Schlägen entgegennahm, würde sie später bitter erfahren müssen, dass höherrangige Knechte oder Gutsbeamte sie zu Dingen auffordern würden, die den Worten seiner Mutter nach eine Sünde waren.
Für solche Dinge interessierte Walther sich selbst noch nicht, aber er wusste, dass Diebold heimlich die Mägde des Gutes beobachtete, wenn sie am Samstagabend in der Waschküche badeten. Ähnliche und schlimmere Situationen wollte er Gisela ersparen und redete daher inständig auf sie ein.
»Um Köchin auf einem Gutshof oder gar einem Schloss wie Renitz werden zu können, musst du neben dem Kochen auch sehr gut lesen, schreiben und rechnen können. Als Mamsell müsstest du noch viel mehr wissen. Also gib dir Mühe!«
Bei seinen letzten Worten hatten sie die Küche betreten. Während Cäcilies Helferinnen sich an die Stirn fassten und weiteraßen, sah die Köchin den Jungen und das Mädchen nachdenklich an.
Auch die Mamsell machte sich so ihre Gedanken. Wenn Gisela wirklich eine bessere Stellung im Schloss einnehmen wollte, würde sie ihrem katholischen Glauben entsagen müssen. Doch das war nichts, worin sie sich einmischen durfte. Daher winkte sie die Kinder zu sich und wies durch das Fenster auf den nahen Wald.
»Ihr könnt nach dem Essen wieder Pilze sammeln und dabei zum Förster gehen und das Baumharz holen, um das ich ihn gebeten habe.«
»Das machen wir gerne, Frau Frähmke! Nicht wahr, Gisela?«
Das Mädchen nickte eifrig. »Aber ja!«
»Lange werden die Kinder nicht mehr Pilze sammeln können. Ich spüre in den Knochen, dass der Winter nicht mehr fern ist!« Cäcilie seufzte und trauerte ein wenig ihrer Jugend nach, in der sie solche Wehwehchen nicht geplagt hatten.
Walthers Gedanken beschäftigten sich mit etwas anderem. »Der Förster hat uns letztens vor Gesindel gewarnt, das sich in den Wäldern herumtreiben soll, und gemeint, ich solle beim nächsten Mal eine Pistole mitnehmen.«
»Kannst du mit so einem Ding überhaupt umgehen?«, fragte die Köchin ungläubig.
»Der junge Herr hat es mir gezeigt.«
»Nun gut! Wenn Stoppel meint, eine Waffe wäre zum Pilzesammeln angebracht, dann werde ich dir eine besorgen«, sagte die Mamsell, stand auf und verließ die Küche.
Nachdem die Kinder ihren Brei gegessen hatten, holte Walther eine Jacke für sich und ein Schultertuch für Gisela. Als sie die Küche verlassen wollten, kam Frau Frähmke ihnen entgegen und hielt eine Pistole in der Hand, die sich stark von den eleganten Waffen des Grafen und seines Sohnes unterschied. Für einen Augenblick fühlte Walther sich verunsichert, doch nach einer Weile des Nachdenkens vermochte er das Ding zu laden. Erleichtert steckte er die Pistole in seinen Gürtel, setzte seine Mütze auf und sah Gisela auffordernd an. »Gehen wir!«
Während die Kinder das Schloss verließen, kratzte Cäcilie sich am Kopf. »Lange können Sie die beiden nicht mehr zusammen in den Wald hinausschicken, Frau Frähmke. Walther wird bald ein junger Mann sein, und Sie wollen ihn doch nicht in Versuchung führen.«
»Ich? Gewiss nicht!« Die Augen der Mamsell sprühten Blitze, doch sie begriff durchaus, worauf die Köchin hinauswollte. Auch Gisela würde älter werden und eine Versuchung für einen jungen Burschen darstellen, der mit sich und seinen Trieben noch nicht im Reinen war.
7.
O hne etwas von den Bedenken der beiden Frauen zu ahnen, eilten die Kinder auf den Waldrand zu. Sie waren vielleicht noch einen Steinwurf von den ersten Bäumen entfernt, da zupfte Gisela Walther am Ärmel und zeigte auf eine Stelle gut zwei Büchsenschussweiten von ihnen entfernt, wo mehrere Männer rasch im Unterholz verschwanden.
»Das sind keine Dörfler, denn die haben vom Grafen die Erlaubnis, Fallholz für den Winter zu sammeln«, murmelte Walther und griff nach seiner Pistole.
»Wir sollten zuerst zum Förster gehen, damit er weiß, dass sich jemand im Wald herumtreibt.« Auch wenn Gisela ihrem Freund
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