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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vorhin als Streber bezeichnet hatte, und neben ihm ein schüchterner junger Mann, der bei seiner Vorstellung ein wenig gestottert hatte.
    Gerade dieser aber war Walther sympathisch, und so wandte er sich an ihn. »Ganz habe ich nicht verstanden, wovor Professor Artschwager uns vorhin gewarnt hat. Könnten Sie mir vielleicht Auskunft geben?«
    Bevor der andere auch nur ein Wort herausbrachte, kam ihm sein Nebenmann zuvor. »Man sollte wirklich nur Leute zum Studium zulassen, die ein ordentliches Gymnasium besucht haben. Ein Pastor ist nun einmal kein Ersatz für einen exzellenten Lehrkörper.«
    Obwohl Walther sich in den letzten Jahren oft genug über Künnen geärgert hatte, wollte er das nicht hinnehmen. »Unser Pastor ist ein sehr kluger Mann, und er hat mit Professor Artschwager zusammen studiert.«
    »Das ist also der Grund, weshalb man Sie hier zugelassen hat!«, spottete der andere. »Aber das wundert mich nicht. In Göttingen ist zurzeit jeder Student willkommen. Diejenigen, die etwas auf sich halten, gehen nach Heidelberg.«
    »Und warum sind Sie nicht in Heidelberg?«, fragte Walther in unbedarftem Tonfall.
    Der andere schluckte, beugte sich dann über seinen Teller und begann zu essen.
    »Br…r…avo«, stotterte der Schüchterne. »Sie ha…haben es He…herrn Thode gut he…rausgegeben.«
    Das dürfte eine schwierige Konversation werden, dachte Walther. Doch er merkte bald, dass sein Tischnachbar nach dem ersten Satz sicherer wurde und nur noch gelegentlich bei einem Wort ins Straucheln kam.
    »Ich heiße Landolf Freihart«, stellte dieser sich vor.
    »Und ich Walther Fichtner. Sehr angenehm!« Walther streckte Landolf die Hand hin, die dieser rasch ergriff und mit leuchtenden Augen drückte. Er schien sich zu freuen, trotz seiner Sprachbehinderung so rasch Anschluss gefunden zu haben. Nun fragte er Walther, was diesem von Artschwagers Rede unverständlich geblieben war.
    »Ich meine das mit den Burschenschaften und den Gesprächsthemen, die er uns verboten hat«, erklärte Walther.
    »Sie sind wohl noch nie aus deinem Bauerndorf herausgekommen, was?«, fragte Thode höhnisch.
    »Ich war zum Beispiel in Paris«, antwortete Walther mit scharfem Unterton.
    »Ja, als Schleppenträger Ihres angeberischen Herrn!« Thode warf einen kurzen Blick auf Diebold, der sich an seinem Tisch prächtig zu amüsieren schien.
    Walther schloss zweierlei daraus: Zum einen war Thode auf Adelige eifersüchtig, und zum anderen ärgerte er sich, weil er an diesem Tisch nicht die gleiche Rolle spielen konnte wie der junge Renitz an seinem.
    Landolf Freihart ging nicht auf Thodes Zwischenbemerkung ein, sondern erklärte Walther, dass es um die Rechte des Volkes und um Demokratie ging, die die Herrscher auf ihren Thronen den Untertanen vorenthielten. »Dabei haben sie, als sie Gefahr liefen, von Napoleon auf den Schutthaufen der Geschichte gekehrt zu werden, genau das versprochen«, setzte er leise hinzu.
    »Außerdem geht es um die nationale Einheit«, warf Thode ein. »Warum soll dem deutschen Volk verboten sein, was bei den Engländern und Franzosen bereits Wirklichkeit geworden ist? Doch davon wollen die Wilhelms, Ferdinands und Maxens auf ihren Thronen nichts hören. Aber der Wille des Volkes ist stärker als alle Fürstenmacht. Wir werden ein einiges Deutschland sein, sei es unter einem konstitutionellen Herrscher oder sei es als Republik, wie Frankreich es war, bevor Napoleon dort die Macht ergriffen hat!«
    Landolf Freihart nickte eifrig. »Das hören die Fürsten und Könige und deren Speichellecker aber gar nicht gerne und glauben, wenn sie uns verbieten, darüber zu reden, würden wir irgendwann auch nicht mehr darüber nachdenken. Doch das ist ein Trugschluss. Je mehr die freie Meinung unterdrückt wird, umso heller glüht sie in unserer Brust.«
    Der junge Mann mochte schüchtern sein, in der Sache allerdings war er nicht weniger entschieden als Thode. Dieser aber sah in Walther nun jemanden, den er in seinem Sinn beeinflussen konnte, und legte seinen Hochmut ab.
    »Demokratie! Davon habe ich bisher nur aus dem alten Griechenland gehört«, gab Walther zu.
    »Ab jetzt werden Sie es noch öfter hören«, erklärte Thode und lächelte das erste Mal.

7.
    W ährend Walther Anschluss an ein paar politisch interessierte Kommilitonen gefunden hatte, geriet Diebold von Renitz in einen Kreis von adeligen Studenten, die gleich ihm wenig von solchen Forderungen wie Demokratie oder gar nationaler Einheit hielten. Ihnen gefiel

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