Das Gottesgrab
Knox. «Sie dürfen nicht vergessen, dass es vor allem um Alexanders Leiche ging. Ptolemäus musste sie schnell nach Ägypten zurückbringen, und mit dem Katafalk kam man nur mühselig voran. Schätzungen zufolge schaffte er höchstens zehn Kilometer am Tag, und das nur mit Hilfe eines großen Trupps von Pionieren, der die Straße vorbereitete. Man hätte Monate gebraucht, um nach Memphis zu gelangen. Und dieser Zug wäre extrem auffällig gewesen. Allerdings kenne ich keinen Bericht darüber, dass er auf der offensichtlichen, südlichen Route von Syrien durch Libanon und Israel zur Sinai-Halbinsel und zum Nil gesehen worden ist. Und diese Prozession hätte niemals unbemerkt durchs Land ziehen können.»
«Dann ist der Katafalk also tatsächlich zurückgelassen worden?»
«Möglich. Andererseits hatte er einen unschätzbaren Wert. Ich meine, versetzen Sie sich mal in Ptolemäus’ Lage. Was hätten Sie getan?»
Rick überlegte einen Moment. «Ich hätte die Ladung aufgeteilt», sagte er. «Eine Gruppe jagt mit der Leiche voraus. Die andere nimmt mit dem Katafalk eine andere Route.»
Knox grinste. «Das hätte ich auch getan. Natürlich gibt es dafür keinen Beweis. Aber es liegt auf der Hand. Die nächste Frage ist, welche Route. Syrien liegt am Mittelmeer, er könnte also nach Süden gesegelt sein. Aber im Mittelmeer lauerten eine Menge Piraten, außerdem hätte er Schiffe gebraucht. Und wenn Ptolemäus diese Möglichkeit in Betracht gezogen hätte, hätte er mit Sicherheit auch Alexanders Leiche auf diesem Weg transportiert. Man ist sich aber ziemlich sicher, dass er das nicht getan hat.»
«Welche Alternativen hatte er?»
«Nun, angenommen, dass er den Katafalk nicht als Ganzes bewegen konnte, könnte er ihn in handliche Stücke zerteilt haben, die er südwestlich entlang der Küste durch Israel zum Sinai hätte transportieren können. Aber diese Route hat er höchstwahrscheinlich schon mit Alexanders Leiche genommen, und warum sollte man sich aufteilen, wenn man dann doch den gleichen Weg nimmt? Es bleibt eine dritte Möglichkeit: dass er die Ladung südlich zum Golf von Akaba geschickt hat, von wo sie per Schiff um die Halbinsel Sinai zur Küste am Roten Meer gebracht wurde.»
«Die Halbinsel Sinai», grinste Rick. «Also an diesen Riffen hier vorbei?»
«An diesen sehr gefährlichen Riffen vorbei», bestätigte Knox.
Rick lachte und hob sein Glas zum Toast. «Dann sollten wir das Scheißding finden», sagte er. Und genau das hatten sie seitdem versucht, bisher allerdings ohne Erfolg. Immerhin hatte Knox schließlich einen gewissen Erfolg verbucht. Anfänglich war Rick nur daran interessiert gewesen, den Schatz zu finden. Doch je länger ihre Suche dauerte, desto mehr hatte er gelernt und desto mehr hatte ihn eine archäologische Leidenschaft gepackt. Früher war er Taucher bei einer Art Sondereinheit der australischen Marine gewesen. Durch die Arbeit in Scharm konnte er weiter tauchen, er vermisste jedoch das Gefühl, einen klaren Auftrag zu haben. Ihre Suche stellte dieses Gefühl in einem solchen Ausmaß wieder her, dass er entschlossen war, eine neue Karriere als Unterwasserarchäologe zu beginnen. Er studierte wie besessen, lieh sich Knox’ Bücher und andere Materialien aus und löcherte ihn ständig mit Fragen.
Roland hatte schließlich seine Stiefel an. Knox stand auf, half ihm beim Anschnallen seiner Sauerstoffflasche und überprüfte die Ausrüstung. Auf der Brücke waren Schritte zu hören. Hassan schlenderte heran, lehnte sich auf die Reling und schaute hinab. «Na dann viel Spaß, Jungs», sagte er.
«Oh, ja», antwortete Roland begeistert und hob seinen Daumen. «Den werden wir haben.»
«Und lasst euch Zeit.» Auf sein Winken hin kam Fiona widerwillig an die Reling. Sie hatte sich eine lange Baumwollhose und ein dünnes weißes T-Shirt angezogen, als könnte die sittsamere Kleidung sie irgendwie schützen. Trotzdem zitterte sie. Ihr feuchtes Bikinioberteil hatte das T-Shirt durchsichtig gemacht, sodass man die Brustwarzen sehen konnte, die vor Angst ganz hart waren. Als Hassan Knox’ Blick bemerkte, grinste er und legte einen Arm um ihre Schultern. Er schien Knox geradezu herausfordern zu wollen.
In den Straßen von Scharm erzählte man sich, Hassan hätte einem Cousin zweiten Grades die Kehle aufgeschlitzt, weil dieser mit einer Frau geschlafen hatte, die Hassan sich ausgeguckt hatte. Man sagte, er hätte einen amerikanischen Touristen ins Koma geprügelt, weil dieser protestiert
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