Das Gottesmahl
umhüllt unser Schleppgut, eine glatte Kruste umgibt es
vom Scheitel bis zur Sohle, ähnlich wie Pelle eine Wurst. Wenn
wir Kvitöi erreichen, dürfte das Fleisch fest wie Marmor
sein.
»Da sehen Sie’s«, habe ich zu Ockham gesagt,
»die Verwesung ist zum Stillstand gekommen, wie es von unseren
Engeln angekündigt worden ist. Wir brauchen das
Scheißformaldehyd des Vatikans nicht.«
Der Pater befand sich auf dem Achterdeck und schaute Horrocks
Bilgenkrebsen und einigen anderen Besatzungsmitgliedern zu, die auf
dem Zwerchfell des Corpus Dei umhersausten. Schlittschuhfahren
ist zum liebsten Zeitvertreib der Crew geworden und übertrifft
an Beliebtheit sogar Pokerspielen und Tischtennis. Die Leute
verwenden improvisierte, selbstgebastelte Schlittschuhe –
zusammengesetzt aus Wanderstiefeln und Fleischermessern –, aber
das Schuhzeug bewährt sich gut. Zu zusätzlichem Schutz
gegen die Kälte reiben sie sich Hände, Füße und
Gesicht mit Göttlichem Wunderschmand ein.
Ockham sah mir in die Augen und lächelte, war offenbar
darüber froh, daß ich die Initiative ergriff, um uns
wieder Gespräche zu ermöglichen. »Man sollte mit Rom
Verbindung aufnehmen und durchgeben, daß der Zustand des Corpus Dei sich endlich stabilisiert hat«, empfahl er,
gerade als Bud Ramsey senkrecht auf den Arsch plumpste.
»Bestimmt ist es Ihnen lieber, wenn di Luca mit der Maracaibo keine Verfolgungsjagd auf uns macht.«
Ich konnte gegen die Logik des Manns nichts einwenden und erlaubte
ihm sogar, den Text abzufassen. (Allerdings in seiner Kabine. Eher
schneide ich mir ein Bein ab, bevor ich Ockham wieder auf die
Brücke lasse.) Um 15 Uhr 30 faxte Öhrchen die erfreuliche
Neuigkeit nach Rom, und um 15 Uhr 38 ging ein zweites Fax ab, diesmal
ins sonnige Spanien. Die zweite Mitteilung war nur ein Dutzend
Wörter lang. »Ob du willst oder nicht«,
benachrichtigte ich meinen Vater, »ich besuche dich
nächsten Monat in Valladolid.«
Wir nähern uns dem guten Ende des Abenteuers, Popeye.
Nach dem heutigen Abendessen, dem besten Padre Stroganoff, das
Follingsbee bisher zubereitet hat, bat mich der Smutje, mir doch
einmal ›die Resultate eines wissenschaftlichen Experiments‹
anzusehen, an dem er seit dem Aufenthalt an der irischen Küste
gearbeitet hätte. Er führte mich hinaus – unser
Wetterdeck hat sich in eine Märchenlandschaft verwandelt, Eis
hängt in ausgedehnten Kristallgebilden an den Laufstegen, Frost
glitzert auf den Rohren und Ventilen – und in Ballasttank Nummer
4 hinab, erzählte unterwegs die ganze Zeit von den Vorzügen
des Grünzeug-Eigenanbaus. Wir waren keine zwanzig Schritte weit
ins Schiffsinnere vorgedrungen, da bebten mir vor Entzücken die
Nasenflügel. Mein Gott, was für wundervolle Düfte ich
da rochen habe: vollkommene Reife, Popeye, pure Fruchtigkeit. Ich
knipste die Taschenlampe an.
Auf dem Grund des Tanks erstreckte sich ein farbenprächtiger
Garten, dessen Erzeugnisse über die wildesten Phantasien
Hieronymus Boschs hinausgewuchert waren, das Obst und Gemüse
glänzte dermaßen prall, als schriee es geradezu danach,
geerntet zu werden. Im Düstern wuchsen knorrige Bäume,
Äpfel in der Größe von Volleybällen beugten ihre
Äste. Aus dem Boden sproß Spargel, der einer besonders
seltsamen Kaktusart ähnelte. Längs des Binnenkiels gedieh
Broccoli, jeder Stengel so dick und groß wie bei einer Mimose.
Weinranken garnierten die Leitern, die bläulich-dunklen Trauben
ballten sich zu Reben, als sähen wir Godzillas Lymphknoten vor
uns.
»Sam, Sie sind ein Genie.«
Der Küchenchef hob die Sahneberg-Mütze und verbeugte
sich bescheiden. »Sämtliche Samen stammten von den Sachen,
die wir in Galway gekauft haben. Die Erde ist ’ne Mischung aus
Hautgewebe und Körperflüssigkeit. Mich verblüfft am
meisten, wie schnell alles wächst, obwohl die Temperatur
unterm Gefrierpunkt liegt, und ohne einen einzigen Sonnenstrahl. Man
streut ’n Apfelsinenkern aus, und nach bloß zehn Stunden, zack, da steht das Bäumchen.«
»Also gebührt das halbe Verdienst…«
»Mehr als das halbe. Er ergibt großartigen Kompost,
Sir.«
Wenn diese Fahrt vorbei ist, Popeye, wird mir auf jeden Fall eins
fehlen, nämlich das Essen.
Cassies von Bud Ramsey geliehener Parka hatte ein Futter aus
Gänsedaunen der A-Klasse; die von Juanita Torres erhaltenen
Socken bestanden aus reiner Baumwolle; in den von Schwester Miriam
geborgten Handschuhe befand sich echtes Kaninchenfellfutter. Dennoch
drang die Kälte zu ihrem Körper
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