Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gottesmahl

Das Gottesmahl

Titel: Das Gottesmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
zersprang, während wir Napalm in den Golf von
Thailand verschifften, übers Achterdeck peitschte und den
Bootsmann entzweischnitt. Das arme Schwein lebte noch drei Minuten
lang. »Was machen wir eigentlich in Vietnam?« lautete sein
letztes Wort.
    Heute morgen habe ich meinem Vater ein Fax zukommen lassen. Ich
habe ihm mitgeteilt, daß ich wieder Kapitän der Valparaíso und im Auftrag Papst Innozenz XIV. unterwegs
bin. »Wenn du einverstanden bist«, habe ich geschrieben,
»schaue ich auf der Rückfahrt mal in Valladolid
rein.«
    Die Silberreiher hassen mich, Popeye. Die Meeresschildkröten
schreien nach meinem Blut.
    Um ein Vorbild zu geben, setzte ich mindestens einmal täglich
zu Gott über, schnappe mir ein Raketenstartgerät oder ein
Harpunengewehr und beteilige mich an der Bekämpfung der
Raubtiere. Dadurch wird die Moral der Besatzung gestärkt. Es ist
eine gefährliche und anstrengende Tätigkeit, aber die Leute
bewältigen sie recht gut. Ich glaube, sie betrachten unser
Schleppgut als etwas, für das zu kämpfen sich lohnt,
vergleichbar mit Ehre oder der amerikanischen Fahne.
    Jeden Abend, etwa von 18 Uhr an, trinkt Cassie Fowler im
Bugausguck Kaffee. Schon dreimal habe ich so getan, als ob ich ihr
dort zufällig über den Weg laufe. Ich habe den Eindruck,
daß sie mir gegenüber allmählich ein wenig
aufgeschlossener wird.
    In welche unerkundeten Gefilde hat deine Leidenschaft zu Olivia
dich geführt, Popeye? Hast du dir je ausgemalt, mit ihr auf dem
Höhepunkts eines Monsuns, wenn warmer Regen eure nackten Leiber
glitschig macht, auf dem Vordeck zu liegen und wild zu bumsen? Haben
eure Schöpfer je so eine Szene, vielleicht einmal allein um des
Nervenkitzels willen, für euch ersonnen?
    Wenn die Besatzung glaubt, ich merke nichts, räubert sie auch
am Corpus Dei herum, schneidet und kratzt winzige Mengen von
Haaren, Pickeln, Warzen und Leberflecken ab, um sie mit Trinkwasser
zu einer Art von Paste zu vermischen.
    »Wofür soll das gut sein?« fragte ich Ockham.
    »Für alles«, hat er geantwortet, »was sie sich
davon versprechen.«
    An-mei Jong, erzählte mir der Pater, verputzt das Zeug
löffelweise, weil sie sich davon eine Erleichterung ihres
Asthmas erhofft. Karl Jaworski reibt es auf seine arthritischen
Gelenke. Ralph Mungo schmiert es auf eine alte Wunde aus dem
Koreakrieg, mit der er immer wieder Maläsen hat. Juanita Torres
benutzt es gegen Menustrationskrämpfe.
    »Und hilft’s?« fragte ich Ockham.
    »Sie behaupten, ja. Dergleichen ist schließlich
weitgehend subjektiv. Cassie Fowler bezeichnet es als Placebo-Effekt.
Die Besatzung nennt’s Göttlichen Wunderschmand.«
    Wenn ich mir die Stirn mit Göttlichem Wunderschmand salbe,
Popeye, geht dann meine Migräne weg?
    »Hai am Steuerbordknie! Wiederhole: Hai am
Steuerbordknie!«
    Neil Weisinger schwang sich aus seiner Mulde göttlichen
Fleischs, stützte den WP17-Sprengkopf-Harpunengewehr in ein
Kniegrübchen und drückte an seinem
Matsushita-Sprechfunkapparat die Sendetaste. Die Hitze war schier
unerträglich, es schien, als drohte der Guinea-Strom zu kochen.
Hätte er sich nicht Nacken und Schultern mit Göttlichem
Wunderschmand eingerieben, wären sie bestimmt längst blasig
geworden. »Kurs?« erkundigte er sich per Funk bei Bootsmann
Eddie Wheatstone, der zur Zeit auf Ausguck stand.
    »Null-null-zwo.«
    Auf seinen ungefähr einem Dutzend Reisen als
Handelsschiffseemann hatte Neil schon mancherlei widerwärtige
Pflichten verrichten müssen, aber keine hatte er als so
widerlich wie die jetzige Raubtierbekämpfung empfunden.
Latrinensäubern bedeutete eine Erniedrigung, Ballasttanks zu
reinigen war ekelig, das Rostabschleifen unsäglich langweilig,
doch wenigstens drohte bei diesen Betätigungen keine
unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Bereits zweimal war er
mit dem Lift zur Kabine des Ersten Offiziers hinaufgefahren, fest zum
Einreichen einer formellen Beschwerde entschlossen gewesen; beide
Male hatte ihn jedoch im letzten Augenblick der Mumm verlassen.
    Er hakte das Matsushita-Funkgerät an den Werkzeuggürtel,
direkt neben den WP17-Sender, hob das Fernglas und spähte
ostwärts. Vom gegenwärtigen Standort aus konnte er Eddie
nicht erkennen – die Entfernung war zu groß, zuviel
Dunstschwaden wallten zwischen ihnen –, aber er wußte, der
Bootsmann war auf seinem Posten an der Leeseite der Steuerbordzehen
und beobachtete die von Gottes halb unter den Wasserspiegel
gesunkenen Beinen gebildete, böig-unruhige Bucht.
    Erneut drückte

Weitere Kostenlose Bücher