Das Grab der Königin
ungefährlich aus, auch wenn er kein Geländer besaß.
Dicht davor blieb ich stehen. Unter mir tanzte der Kegel einer Stablampe an der Wand hoch. Suko leuchtete wieder, erreichte mich kaum, so hoch war ich mittlerweile gestiegen.
»He, John…« Seine Stimme hallte mir entgegen. »Willst du dort hinüber zum Fenster?«
»Ja…«
»Verdammt, der Steg kann brechen.«
»Oder auch halten!« rief ich in die Tiefe. »John, tu es nicht, bitte!«
»Laß gut sein, Jenna. Wenn ich fallen sollte, fängst du mich auf. Alles klar?«
»Aber zuvor lassen wir dich einmal aufticken!« rief Suko.
»Meinetwegen.«
Ich beendete die Unterhaltung mit diesem einen Wort und bereitete mich darauf vor, über die Steinbrücke zu schreiten. Es war gefährlich. Der feine Sand glitzerte zwischen den Ritzen wie Eis. Auch zeigten die Steine Risse, aber die vergaß ich.
Es war kein Gehen, mehr ein Tasten. Ich schob sehr behutsam einen Fuß vor den anderen. Bei jedem Knirschen unterden Sohlen zuckte auch ich zusammen. Mir war heiß und kalt zugleich. Durch die Öffnungen in den Wänden wehte zwar der Wind, kühl war es trotzdem nicht im Innern des Turms. Die Luft kam mir heiß und stickig vor, wie durchweht von Moderschwaden.
Ich ging wie ein Seiltänzer, die Arme gespreizt, um möglichst das Gleichgewicht halten zu können. Der Fensterausschnitt lag in meiner direkten Blickrichtung. Ich wollte auch nicht woanders hinschauen und mich ablenken lassen, was leicht zu einem Fehltritt führen konnte. Nur das größere Fenster zählte.
Der Steg mündete dort, wo sich innen eine Fensterbank befand. Sie besaß eine relativ große Breite. Zwei Menschen konnten darauf Platz finden.
Jenna und Suko rührten sich nicht. Sie würden meinen weiteren Weg gespannt und mit Angst in der Brust verfolgen.
Noch zwei Schritte, noch einer — ich atmete bereits auf, da geschah es. Unter mir brach der Steg weg.
Zum Glück warnte mich das Knirschen. Diesmal hörte es sich lauter an. Ich wußte, daß ich mein Leben verlieren würde, wenn ich jetzt nicht sofort handelte.
Es war der Sprung der Verzweiflung, der mich nach vorn katapultierte. Ich wäre möglicherweise durch die Öffnung gesegelt, konnte mich im letzten Augenblick drehen, so daß ich gegen die rechte Kante des Fensters prallte, mich dort festklammerte und auf der Fensterbank mit den Füßen Halt bekam, während das Gestein unter mir in die Tiefe segelte.
Mein Schrei hallte in die Tiefe. Ich mußte Jenna und Suko warnen, die nicht von den fallenden Trümmern erschlagen werden sollten. Was da unten geschah, sah ich nicht, aber Suko und Jenna hatten hervorragend reagiert.
Im Schein der nach oben gerichteten Lampe war dem Inspektor schon aufgefallen, daß der Steg brechen würde.
Dann aber kam es mit Gewalt. Ein tödlicher Regen aus Trümmern raste dem Grund entgegen. Sie fielen zwar alle senkrecht, aber in verschiedenen Richtungen weg, denn der Steg war regelrecht geplatzt und hatte die Brocken explosionsartig verteilt.
Suko und Jenna hatten sich lange genug am Eingang aufgehalten, um sich auch umschauen zu können. Das war ihnen gelungen, und die beiden hatten eine Nische entdeckt.
In die tauchten sie ein, verfolgt vom Regen der fallenden Trümmer, doch sie wurden nicht erwischt.
Die Brocken hämmerten vor der Nische zu Boden, sprangen hoch und zur Seite weg. Staub hüllte sie ein. Splitter rasten gegen ihre Körper und die vor ihre Gesichter hochgerissenen Arme, wo der feste Stoff sie abfing. Das losen des krachenden und berstenden Gesteins hallte noch als Echo in den Turm hinein, verstummte und hinterließ eine Staubwolke, die auch ich sah.
Noch immer hielt ich mich auf der schmalen Innenbrüstung auf, klammerte mich an der Kante fest und betete dafür, daß die Unterlage nicht auch wegbrach.
Ich ließ den Lichtarm in die Tiefe strahlen und gegen die hochquellende Wolke aus Staub, in der sich der Kegel verlor. Von meinen Freunden sah ich nichts.
Sollten sie es nicht mehr geschafft haben?
Ich wollte schon rufen, als mir Sukos laute Stimme entgegenklang. »Bist du okay, John?«
»Ja. Und ihr?«
»Wir brauchten eine Badewanne, so staubig sind wir. Sonst ist alles okay, Alter.«
Ich atmete auf. »Ich hänge hier oben am Fenster. Wenn ich jetzt zu euch will, muß ich springen.«
»Dann genieß erst mal die Aussicht.«
»Das mache ich auch.«
Ich drehte mich auf der Stelle ud schaute durch die Öffnung. Auch außen sah ich einen Vorsprung, auf den ich allerdings in meiner Position
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