Das Grab der Königin
An ihr hatte sich niemand zu schaffen gemacht. Suko wühlte weiter. Sein Verdacht lief in eine ganz bestimmte Richtung.
In einem innen mit weichem Leder ausgestatteten Etui hatten sie etwas Bestimmtes transportiert. Suko durchwühlte das Gepäck und den Proviant dreimal nacheinander, dann hatte er Gewißheit. Es fehlte der Dunkle Gral!
***
Suko hatte plötzlich das Gefühl, auf einem schwankenden Boden zu stehen. Die dunklen Berge, die ihn umgaben, fingen an zu tanzen. Sie bewegten sich hektisch von links nach rechts. Der Ruf seine Freundes John Sinclair klang nur schwach an die Ohren des Inspektors. »Was ist denn los gewesen?«
Suko legte seine Hände als schalleitenden Trichter vor seinen Mund, als er die Antwort gab. »Der Dunkle Gral ist verschwunden. Sie hat ihn genommen, John.«
Ein wütender Fluch schallte als Antwort in die Tiefe. Was hätte John Sinclair auch anderes sagen sollen? Alles Weitere wäre nur Makulatur gewesen und hätte die Sache nicht besser gemacht.
Mit der flachen Hand schlug der Inspektor auf das Dach des Jeeps und lauschte dem Echo nach. Er war wütend, sauer und sogar deprimiert. Das hätte ihnen nicht passieren dürfen.
Aber sie hatten sich so stark vom Turm der flüsternden Geister ablenken lassen, daß sie Morgana Layton förmlich dazu eingeladen hatten, sich den Jeep einmal von innen genauer anzuschauen.
»Siehst du noch etwas, John?«
»Nein, sie hat sich gut versteckt. Ich habe nicht einmal die Richtung gesehen, in die sie gelaufen ist.«
»Und sonst?«
»Sie war nicht allein!«
»Mit den Wölfen?« schrie Suko.
»Ja!«
Der Chinese trat einen Schritt zur Seite. Unter seinen Sohlen zerknirschten wieder Steine. Er bohrte seinen Blick in die Dunkelheit. So sehr er auch schaute, eine graue Bestie war nicht zu entdecken. Es leuchteten keine Raubtieraugen aus dem Dunkel.
Langsam und nach allen Seiten sichernd begab er sich wieder auf den Rückweg. Er hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gelassen, als er das harte und metallisch klingende Lachen hörte, dessen Echos von einer Felswand zur anderen rasten.
Es war das Lachen einer Frau. Schrill, gemein und gleichzeitig triumphierend. So lachte nur jemand, der einen großen Sieg auf sein Konto gebucht hatte.
Morgana, die Wölfin!
Suko rührte sich nicht. Er wußte, daß Morgana nicht ewig lachen würde. Sie wollte etwas von ihnen, das lag auf der Hand. Noch hielt sie sich zurück, erst lachte sie sich aus und ließ es nur allmählich verklingen. Zum Schluß hatte es einen nahezu bellenden Klang bekommen, der auch noch zwischen den nackten Feldwänden wetterte. Es wurde still…
Nur weit in der Ferne heulte ein Coyote. Der klagende Laut wimmerte der Scheibe des Mondes entgegen, bevor ihn die schwarzblaue Finsternis verschluckte.
Suko wartete voller Spannung. Er konnte nicht sagen, wo sich Morgana Layton aufhielt. Das Echo hatte auf keine Richtung hingewiesen.
»Sinclair…!« Laut und fast schon singend hallte der Name des Geisterjägers durch die Nacht. »Du bist einen langen Weg gegangen!« rief Morgana Layton in das Lcho hinein. »Du und deine Freunde, ihr wolltet das Grab der Königin finden, aber ich werde es vor euch zu sehen bekommen und alles in meinem Sinne regeln. Ihr habt noch die Chance, den Rückweg anzutreten — oder in den Tod zu fahren. Überlegt es euch gut. Diese Nacht wird zu meiner Nacht werden, das verspreche ich euch. Vor den Menschen waren die Wölfe, ein jeder von euch kennt diesen Spruch. Heute werde ich ihn als Tatsache umsetzen. Die alten Zeiten sollen auferstehen, gemeinsam mit der Macht der Königin. Vieles ist über sie geschrieben worden, nicht alles ist wahr. Das große Geheimnis, ihr Geheimnis aber, das hat noch niemand weiterverfolgt, nur ich bin auf den Gedanken gekommen. Sie, der Dunkle Gral und Lilith, das ist eine Konstellation, die ich als völlig neu bezeichnen möchte. Wie gesagt, ihr könnt bleiben, ihr könnt gehen oder mir folgen. Dann aber wird es ein Weg in den Tod sein…«
»Morgana!« brüllte Suko in das Lcho ihrer Stimme hinein. Es war vergebene Mühe, sie gab keine Antwort mehr. Nur weiter oben, von einem der Hänge, rollte ein Stein in die Tiefe, tickte einige Male auf und sprang an Suko vorbei. Lrst die Außenmauer des Turms stoppte ihn. Suko wollte nicht mehr reden. Er kam sich vor wie ein Fisch im Wasser. Die Niederlage hatte ihn verstummen lassen. Er schaute an der Wand des Turms in die Höhe.
Ziemlich weit oben bewegte sich ein Licht. Da genau mußte
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