Das Grab der Königin
verzichten konnte. Hier war mir zwar nicht wohl, aber besser noch, als vor dem Turm in lustiger Höhe zu stehen.
Das Blickfeld gefiel mir. Ich konnte dorthin schauen, wo wir auch den Wagen abgestellt hatten. Er stand ja nur wenige Schritte von diesem antiken Bauwerk entfernt.
Der Himmel hatte einen dunklen Schleier bekommen. Nur an seinen Rändern war er noch dunkelrot vom wirklich allerletzten Licht der Sonne gefärbt. Die Schatten fielen von den Bergen und Felsen, umgaben das Tal, hüllten es ein, vergaßen auch den Turm nicht und unseren abgestellen Jeep ebenso.
Auf mich wirkten die Felsen wie vereiste, in der Luft stehende Wolkengebilde.
Der Himmel lag klar über mir. Die Pracht der Sterne zeichnete ihn und auch die blasse Scheibe des Mondes, der sein Licht gegen die Erde strahlte.
Vampir-oder Werwolfwetter…
Von den flüsternden Schatten hatte ich bisher noch nichts bemerkt. Dafür sah ich andere Schatten. Auch nur deshalb zu erkennen, weil ich zufällig in die Tiefe starrte und sah, wie sie sich auf dem Boden bewegten. Sie huschten hin und her. Geräusche vernahm ich nicht, und sie sahen aus wie Tiere.
Hyänen möglicherweise, die erst bei Dunkelheit erschienen und wenn es kühler wurde.
Mein Blick glitt wieder zum Wagen hin, weil ich dort auch eine Bewegung gesehen hatte.
Genau da, an unserem geliehenen Jeep erschien ein Lichtfleck. Und nur deshalb, weil jemand die Tür geöffnet hatte. Der Wagen war mit einer Innenbeleuchtung ausgestattet, er gehörte eben zu den Luxusmodellen. Im beleuchteten Innenraum sah ich die Gestalt.
So groß wie ein Mensch, sie war auch ein Mensch. Dazu eine Frau, das erkannte ich an den langen Haaren.
Sie kletterte auf die Ladefläche und begann damit, unser Gepäck zu durchwühlen.
Eine Diebin?
Ja und nein, denn im gleichen Moment wußte ich, wer sich an unserem Fahrzeug zu schaffen machte. Morgana Layton!
***
Ich konnte es zunächst nicht fassen, glaubte daran, daß mir meine überstrapazierten Nerven einen Streich spielten, aber es stimmte. Diejenige Person, die sich um den Jeep kümmerte, war die Mensch-Wölfin. Ich wußte nicht, was sie dort suchte, der Wasserbehälter war es bestimmt nicht.
Drei Sekunden ungefähr hatte ich gezögert. Von hier oben konnnte ich nichts tun. Die Entfernung war zu weit für einen Schuß, die Kugel würde unterwegs verhungern.
Da gab es nur eine Lösung.
Suko mußte ran!
Ich brüllte seinen Namen in die Tiefe und fügte zwei folgenschwere Sätze hinzu.
»Morgana Layton ist da. An unserem Wagen, hol sie dir!«
»Stimmt das?«
»Ja, verdammt! Lauf los!«
Und Suko gehorchte…
Wie erstarrt stand Jenna Jensen neben dem Inspektor. Auch sie hatte John Sinclairs Meldung gehört und konnte es kaum fassen. Sie wollte Suko eine Frage stellen, der aber hatte anderes zu tun. Blitzschnell war er auf den über die Hälfte verschütteten Eingang zugelaufen und quälte sich durch die Mischung aus Sand und Schutt. John hatte sich bestimmt nicht getäuscht. Wenn Morgana Layton tasächlich den Wagen untersuchte, dann wollte sie auch etwas Bestimmtes haben oder das Fahrzeug einfach zerstören, was Suko aber nicht glaubte. Er hatte einen anderen Verdacht und konnte nur hoffen, daß er sich nicht bestätigte. Ausgerechnet jetzt, wo es auf jede Sekunde ankam, rutschte er ab und tiefer in den verfluchten Sand, der auch gegen sein Gesicht spritzte, in den Mund drang, auf der Zunge, den Lippen klebte und zwischen den Zähnen knirschte.
Um durch die Öffnung zu gelangen, mußte sich Suko ducken. Dann rollte er sich einfach weiter, eingehüllt in eine Wolke aus Staub und Sand, kam er wieder auf die Füße und lief nach rechts in die düsteren Schatten hinein.
An einer Stelle durchbrach Lichtschein den Schatten. Genau dort stand der Wagen, und eben an dieser Stelle mußte sich auch Morgana Layton aufhalten.
Suko hatte längst seine Beretta gezogen. Er hetzte auf den Ort zu, sprang geduckt und geschmeidig über Hindernisse hinweg, sah endlich den Wagen, aber nicht Morgana Layton.
Längst hatte sie den Jeep verlassen. Mit oder ohne die Beute, das würde sich noch herausstellen.
Obwohl Suko es eilig hatte, blieb er vorsichtig. Er konnte nicht wissen, was die verfluchte Wölfin noch als Trümpfe in der Hinterhand hielt. Er traute ihr jedenfalls alles zu.
Der Inspektor stieg nicht in den Jeep ein. Er kümmerte sich um das Heck, an dem die Klappe geöffnet war. Im Licht der Lampe durchsuchte er das Gepäck.
Die Ausrüstung war vollständig vorhanden.
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