Das Grab der Legionen
zugegeben; sie hatte ihm imponiert.
Mehr als einen Blick warf er auf ihr dunkelrotes Gewand mit den blauen Stickereien. Der Dolch im Gürtel... Titus verzog ironisch das Gesicht. Keine Römerin hätte dergleichen getragen, weder die Waffe noch solch ein Kleid. Vielleicht die Armen? Mochte sein. Nur wenig wußte er von jenen Leuten.
Abgesehen davon, die Ibererin sah sogar ein bißchen hübsch aus. Dem hellenischen Typus, den die Römer verehrten, entsprach sie freilich nicht. Eine Stupsnase und braune Augen hatte sie, und ihre Haut war nicht hell, sondern wie von altem Elfenbein mit einem dunklen Schimmer darüber. Immerhin, jener Junge, der einer Fulvierseele zur zweiten Heimat wurde, kam auch nicht in Attika zur Welt.
Titus rief sich zur Ordnung. Was gingen ihn ihre schwarzen Haare und die freundlichen Augen an! Es gab Wichtigeres. Die Iberer hatten erkannt, daß eine gute militärische Ausbildung die Legionen siegen ließ. Weil sie das wußten, sollte ihnen irgendjemand als Lehrer dienen. Und würde er es nicht tun, fand sich ein anderer. Zum Beispiel für erbeutetes römisches Silber. Aufhalten konnte man das nicht mehr.
Längst hatte sich Rega entfernt, als der Wächter unwilligen Gesichts nahte. „Komm!" brummte er. „Hast genug Auslauf gehabt."
Titus grübelte noch, als ihn die altvertrauten Kellermauern umgaben und das letzte Echo der einrastenden Riegel längst verhallt war.
VIII
In Numantia
„Es steht fest, Litennon", wiederholte Eladu. „Du kannst mir glauben. Das Heer biegt nicht nach Norden ab, sondern marschiert weiter zum Jalu. Metellus wußte doch seit langem, daß Quintus Pompejus sein Nachfolger wird. Den mag er ebensowenig wie dieser ihn." Der junge Mann lachte. „Wie könnte er ihm bessere Ausgangspositionen verschaffen wollen!"
„Uns kann das ja recht sein, aber ich verstehe es trotzdem nicht", antwortete Litennon.
„Amt und Silber wollen sie, nicht den Sieg", warf Siras Bruder Avaros ein.
„Stimmt, Avaros!" Eladu strahlte. Daß der künftige Schwager die Situation zu durchschauen vermochte! Selten hatte er Denkfreudigkeit gefunden. Viel lieber handelten die Männer, ohne lange das Warum und Wozu abzuwägen.
„Können wir etwas unternehmen?" fragte Litennon. Er freute sich über das Lob für seinen Ältesten, gestand das aber nicht ein. Junge Leute sollten nicht überheblich werden, darunter litt das Ansehen des Ältestenrates. Ungern erinnerte er sich daran, daß auch er einmal jung gewesen war und gegen diese Grauhaarigen aufbegehrt hatte.
„Minendo!" Mehr als das Stichwort brachte Avaros nicht über die Lippen. Wozu auch? Ohnehin wußten die anderen Bescheid. Er galt als wortkarg, zögernd und überlegte zumeist lange.
„Der Ort ist befestigt", mischte sich Citivas, der jüngere Bruder, in die Unterhaltung.
„Stimmt leider. Ich habe mir die Mauern angesehen", berichtete Eladu. „Das Fundament stammt noch aus Nobiliors Zeiten, aber während dieses Sommers bauten die Römer weiter und reparierten die Schäden. Zur Zeit befinden sich fast vierhundert Legionäre dort eine Kohorte ."
Litennon schwieg. Recht gut wußte er, daß die vorgeschobene Festung Minendo den Iberern ein Dorn im Auge war. Was tun? Von Belagerungsmaschinen verstand niemand genug, selbst Eladu nicht.
Freilich könnte das vereinigte Bundesheer manches ausrichten, doch die Krieger waren längst daheim. Ehe man sie aufgeboten hätte, wüßten die Legionen Bescheid - und alles wäre umsonst. Für eine Feldschlacht war der Duro-Bund zu schwach.
„Handstreich, was sonst?"
„Leicht gesagt, Bruder", brummte Citivas. „Die Römer passen auf." Der Vater äußerte sich nicht dazu, er beobachtete Eladu. Daß der längst eine Idee hatte, war für ihn abgemachte Sache; und daß er zunächst schweigen würde, nicht minder. Das war vernünftig, denn nur ungern ließen sich die jungen Männer sagen, wie unbesonnen sie waren. Freilich sah auch er keinen Weg, die mißtrauischen Legionäre zu überrumpeln.
Eladu blickte zu Boden, um den forschenden Augen des Älteren zu entgehen. Erst wenn diese Nichts-als-Kriegsleute einsehen, daß man nicht sogleich zum Schwert greifen darf, werde ich meinen Plan unterbreiten. Wird wenigstens einer darauf verfallen?
„Man könnte sich nachts anschleichen und im Schutz der Dunkelheit die Mauern übersteigen. Vielleicht bei Regen und Sturm."
„Man könnte", stimmte Litennon zunächst zu, der dasselbe bereits erwogen hatte. „Aber das ist kein guter Vorschlag, Citivas! Gerade
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