Das Grab der Legionen
jedem Satz wurden die Mienen des anderen heller, zum Schluß strahlte er vor guter Laune. „Weshalb aber so geheimnisvoll? Glaubt Litennon, jemand könnte uns verraten?"
„Das nicht." Der Lockige zögerte, weil ihm Eladus Sorgen nicht unbekannt waren. „Aber die Ältesten sind über solche Handstreiche verärgert. Auch die Priester werden Bedenken haben. Wollte man zuvor alles klären..." Er winkte ab. „Es muß rasch gehen."
„Das ist wahr." Bomilkar kannte die Probleme. In Karthago war das einfacher gewesen. Der Oberste Senat wurde sich rasch einig und befahl. Niemand anders hatte dreinzureden.
„Legt die besten Panzer an", empfahl Ävaros ungewohnt wortreich. „Heiß wird's zugehen. Nicht nur ein Überfall, eine richtige Schlacht steht bevor."
„Ich habe mein gutes Schwert von damals. Das läßt mich nie im Stich!"
„Dann lebe wohl. Aber besuche uns heute Abend. Der Vater wird dir sagen, wann ihr fortreiten sollt und wo wir uns treffen. Es ist besser, wenn jede Gruppe für sich aufbricht."
Der Punier war der gleichen Ansicht. Als Avaros gegangen war, nahm Bomilkar die lange Waffe von der Wand und putzte sie. Von neuem schwor er, jeden Römer zu töten, dessen er habhaft werden konnte. Die blutige Rechnung war noch lange nicht beglichen.
Noch in derselben Nacht verließen etwa vierzig Gerüstete die Stadt. Fackeln erleuchteten den Weg, und erstaunt schauten die Numantiner zu. Daß Krieger zu dieser Stunde auszogen, war ungewöhnlich. Den riesigen Punier Bomilkar an der Spitze kannte jedermann. Hinter ihm kam der Fahnenträger der Schar. Die Dunkelheit hemmte forschende Blicke, zumeist flatterte ein schwarzer Stoffetzen an der langen Lanze, das Zeichen gnadenlosen Kampfes.
Sagil, der oberste der Heiligen Männer von Numantia, brauchte nicht geweckt zu werden. Seit Sonnenuntergang saß er auf dem flachen Hausdach und beobachtete, wie sich die Männer in den Höfen der Anwesen rüsteten. Daß ein kriegerisches Unternehmen bevorstand, war offensichtlich. Doch was für eins? Er hatte zwei seiner Untergebenen als Kundschafter ausgesandt.
Nun kamen sie hastig heraufgestiegen. Schon von weitem hörte Sagil ihren Streit. „Ich sage dir, sie reiten nach Ilurcis!" meinte der eine, der andere schwor beim Rauschen der Eiche auf Termantia als Reiseziel.
Beide zankten sich noch, als sie vor dem Oberpriester standen. Bei Netos' Zorn beeidete jeder, seine Auskunft sei richtig. Was sollte der gereizte Erste Priester tun? Schlimm, wie wenig Einfluß die Heiligen Männer ausübten; aber wie diesen vergrößern? Alle Dinge drangen erst dann an sein Ohr, wenn sie längst beschlossen oder bereits ausgeführt waren. In anderen Landen gehorchte man stillschweigend den Geboten der Priester, und hier? Schon sein Vorgänger beklagte die Machtlosigkeit der Netosdiener - er, Sagil, wollte das ändern.
„Um alles in der Welt, eine der beiden Angaben ist falsch", flüsterte schließlich einer der Boten.
„So schlau bin ich selbst! Aber welche? Ilurcis - da gibt's mancherlei zu rauben. Möglich. Termantia was sollen sie da? Aber der
glaubensschwache Litennon will ja auch demnächst... Sollte da ein Zusammenhang bestehen?"
„Ja, man sagt, er wolle dort am Großen Fest teilnehmen, Herr."
„Das wäre hier ebensogut möglich und bequemer. Bisher reiste er zu diesem Zweck nie fort. Irgendetwas stimmt da nicht. - Geht jetzt, ihr beiden!”
Sagil wartete eine Weile, dann wurde ein anderer Priester gerufen. Leise erteilte er ihm einige Anweisungen.
„Es ist gut", erwiderte dieser, „ich verstehe. Ich werde ihnen folgen und, nachdem sie Minendo passiert haben, den Römern einen Wink geben. Bei der Rückkehr dann..."
„Du hast begriffen, was der Gottheit dient. Litennon ist lau und unzuverlässig. Erinnerst du dich an das drohende Rauschen der Eiche? Netos warnt uns und wird uns mit seinem Zorn verderben, wenn wir seine Befehle nicht ausführen. Was jene da tun, ist ein Frevel!"
Fast lautlos verschwand der Bote. Sagil wandte sich wieder dem Geschehen am nordöstlichen Tor Numantias zu. Dort aber herrschte jetzt Ruhe. Die Fackeln waren gelöscht, die Torflügel zugeschoben. Die Hufschläge verloren sich. Langsam versank die Stadt in Schlaf. Nur der Erste Priester wachte und hing seinen Gedanken nach. Es waren keine guten Pläne, die er erwog.
IX
In Tarraco
Ein gewaltiger Regenguß hatte sich über der Stadt am Meer entladen und ihr strahlendes Weiß in trübes Grau verwandelt. In den Gärten klebte Schmutz an den Blumen,
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