Das Grab des Ghouls
zusammen, als es gegen die Zimmertür klopfte.
»Ja?«
»Darf ich reinkommen, Ria?«
»Ha, sicher.«
Die Tür wurde geöffnet, und Rosali Carter betrat das Zimmer. Die Wirtin war eine schlanke Person mit dunklen Haaren, die sie straff nach hinten gekämmt hatte. Am Hinterkopf waren sie dann hochgesteckt, sodass sie durch diese Frisur aussah wie eine Frau von mehr als hundert Jahren. Die vierzig hatte sie überschritten, und dass sie kein leichtes Leben führte, war an ihrem Gesicht abzulesen, denn dort lagen die Falten bereits wie schmale Rinnen. Man konnte sie als einen hageren Menschen bezeichnen, aber sie hatte ein freundliches und gewinnendes Wesen, das sie eben sympathisch machte.
In der Hand hielt sie eine Flasche Rotwein und hatte auch zwei Gläser mitgebracht. Mit dem Fuß stieß sie die Tür zu, als sie Rita McQueen zu nickte.
»Sollen wir uns noch einen Schluck gönnen? Ich habe keine Lust, allein zu trinken.«
Rita lachte. »Willst du mich betrunken machen?«
»Nein, das hatte ich nicht vor.«
»Also gut, ein Glas.«
Es gab einen kleinen Tisch im Zimmer. Den rückte die Wirtin bis an das Bett heran, auf dem sie Platz nahm. Auch Rita setzte sich jetzt auf die Kante.
Sie nahm das Glas entgegen und schaute zu, wie Rosali den roten Wein einschenkte. Er sah aus wie dunkles Blut und gab ein Aroma ab, das nach Beeren roch.
»Ist ein guter Tropfen.«
Rosali lachte. »Das kannst du wohl sagen. Der Wein stammt aus Australien. Er ist einfach super. Man muss ihn genießen und nicht so einfach wegkippen.«
»Sehr schön. Auf was trinken wir?«
Rosali überlegte nicht lange. »Auf unsere Einsamkeit.«
»Oh, was höre ich da?«
»Fühlst du dich nicht einsam?«
Rita McQueen nickte. »Ja, ich fühle mich einsam. Das nimmt mir zwar keiner so recht ab, aber es ist so. Aber dass du dich ebenfalls...«
Die Wirtin winkte ab, trank einen Schluck Wein und gab die Antwort erst danach. »Wer in dieser Gegend lebt, der kann nur einsam sein. Die einzige Unterhaltung habe ich durch das Internet. Da habe ich auch den prächtigen Wein bestellen können. Ansonsten aber kannst du alles vergessen. Die Gäste kommen, die Gäste gehen, und du selbst bleibst bestehen. So ist das nun mal und nicht anders.«
»Aber du bist verheiratet.«
Rosali schaute die Frau mit den blonden Haaren ironisch an. »Ja, das bin ich. Aber Donald kannst du vergessen. Der geht seine eigenen Wege.«
»Ihr habt das Hotel.«
»Na und?« Sie hob die Schultern und trank wieder einen kräftigen Schluck von dem Roten. »Schau dir den heutigen Abend an. Donald hat mich allein gelassen und ist wieder mal gegangen.«
»Wohin?«
»Was weiß ich. Vielleicht ins Dorf, vielleicht auch nicht. Irgendwie hat er sich mir entzogen. Wir leben zusammen wie Arbeitskollegen, die beide ihrem Job nachgehen. Das ist keine Ehe.«
»Ich weiß, Rosali. Und genau das hat mich bisher davon abgehalten, auch zu heiraten. Es ging mit den Kerlen nie gut. So etwas wie du möchte ich nicht erleben.«
»Recht hast du. Cheers .«
Beide tranken. Rita dachte dabei an die Whiskys, die sie schon zu sich genommen hatte. Hinzu kam der Rotwein, den sie bereits merkte. Wenn sie die Augen schloss, überkam sie der Wunsch, sich hinzulegen und einfach nur zu schlafen, aber das wollte sie nicht. Es wäre ein Affront ihrer Besucherin gegenüber gewesen.
»Ich war vorhin draußen.«
»Habe ich gesehen. Und?«
Rita hob die Schultern. »Ich konnte bei dieser klaren Nacht bis zur Burgruine sehen.« Sie atmete durch die Nase ein. »Ob du es glaubst oder nicht, aber es geschah wieder.«
»Was?«
»Ich sah nur den Nebel. Aber du weißt ja, dass es der Anfang ist. Da wird noch etwas folgen.«
»Ja, damit müssen wir rechnen.«
»Dort oben passiert etwas. Außerdem ist einer der Reisenden verschwunden.«
»Jetzt?«
»Ja, ein junger Mann. Er heißt Desmond Wayne, und ich habe den Eindruck, dass er zu uns nicht passt. Wie jemand, der sich eingeschlichen hat. Er hat auch nicht mit den anderen Leuten kommuniziert. Er ist immer für sich geblieben.«
»Was folgerst du daraus?«
»Er hat etwas vor.«
Rosali schaute nachdenklich in ihr Glas. »Das sollte er lieber lassen. Man spielt mit der Vergangenheit besser nicht. Das kann tödlich enden.«
Zwischen den beiden Frauen entstand eine Schweigepause. Jede hing ihren Gedanken nach, und Rita fand die Sprache zuerst wieder. »Meinst du, dass wir die Pilgerfahrten stoppen sollen?«
»Es wäre besser.«
»Warum?«
»Weil ich glaube, dass die
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