Das Grab des Ghouls
daran denken. Es war wichtig, dass er die Sache hier noch durchzog. Die Leute wollten einen Horror-Trip. Sie wollten den Schrecken erleben. Ein derart hautnahes Erlebnis konnte ihnen kein Film bieten, den sie in der Glotze oder im Kino sahen. Das war alles live. Da wurden sie in einer unheimlichen Umgebung mit einem Schrecken konfrontiert, den sie bisher nur aus ihren Träumen kannten.
Und viele wollten es. Die Reisen waren in der Regel fast immer ausgebucht.
Noch eine letzte Kurve, dann hatte er es hinter sich. Er gab etwas zu viel Gas. Der Wagen sprang nach vorn, schleuderte Dreck in die Höhe, dann war es geschafft.
Vor ihm lag die Kulisse!
Ja, in der Tat sah die Ruine aus wie eine Filmkulisse. Mauern, Ecken, Durchgänge, manche halb eingestürzt, andere zum Teil noch erhalten, bildeten ein Labyrinth, dessen Größe einen Neuankömmling verwunderte, weil die Ruine aus einer gewissen Entfernung gar nicht mal so groß und kompakt wirkte.
Hier aber musste sich der Besucher recht klein Vorkommen, denn die meisten der stehen gebliebenen Mauern wuchsen über seinen Kopf hinweg. Natürlich waren auch einige von ihnen zusammengebrochen, und so verteilten sich die Trümmer auf dem Boden.
Die Natur hatte von ihnen Besitz ergriffen und sie mit Gräsern und Moos überwachsen. So bildeten sie genug sperrige Hindernisse, die einem Besucher den Weg versperrten.
Damit dies nicht überhand nahm, hatten die Carters hier auf der Hügelkuppe aufgeräumt . In mühevoller Arbeit und mit Unterstützung einer Baufirma hatten sie den Schutt so weit zur Seite geräumt, damit sich die Menschen recht frei zwischen den Trümmern bewegen konnten. So war dann ein bestimmter Weg geschaffen worden, der gegangen werden musste.
Don Carter erreichte die Ruine an der Ostseite.
Er stellte den Wagen auf seinem üblichen Parkplatz ab. Er lag im Schatten einer recht hohen Mauer, und Rosali führte keinen Besucher an diesen Punkt. Es sollte eben niemand sehen, dass gewisse Dinge bereits vorbereitet waren, und das Auto wäre ein Hinweis darauf gewesen. Man wollte den Menschen eben die Illusionen lassen.
Carter stieg aus. Er packte sich seine prall gefüllte Reisetasche und hängte sie über die Schulter. Noch war es hell, und so konnte er sich ohne Lichtquelle zwischen den Mauern bewegen. Wenn er jedoch über die noch vorhandenen Treppen nach unten ging in die alten Kellerräume der Ruine, sah das schon anders aus. Da brauchte er das Licht.
Diese Räume bildeten das Herzstück der Ruine und zugleich die Gruselkammer. Hier wollte er etwas überprüfen. Die technischen Anlagen mussten immer gewartet werden. Es gab dort zwar kein Feuerwerk, aber irgendwelche Geistwesen entstehen zu lassen war ebenfalls nicht einfach.
Zeit genug hatte er. Und so betrat er recht schwungvoll das Gelände zwischen den Mauern.
Don kannte die Stille. Es hätte ihn gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Wieder kam er sich recht klein vor, als er den Kopf in die Nacken legte und an den Resten eines Turms in die Höhe schaute. Das Bauwerk war über die Hälfte seiner eigentlichen Höhe zusammengefallen. Es stand ein Rest, der einem Stumpf glich und die höchsten Mauern kaum überragte.
Trotzdem war der Turm wichtig für das Programm der Besucher. Bei ihm gab es nicht nur Höhe, sondern auch so etwas wie eine Tiefe, denn unter ihm lagen die Verliese, die von den früheren Besitzern der Burg als Folterkammern benutzt worden waren.
Es war eine Welt für sich, die sich dem Fremden öffnete. Da gab es kleine Gänge und Kammern, die miteinander verbunden waren, und es existierte sogar ein Geheimgang, den nur die wenigsten Menschen kannten. Don Carter allerdings war er bekannt. Von ihm aus lenkte er seine Späße. Da hatte er sich die Zentrale eingerichtet, um Nebel oder Geister erscheinen zu lassen. Man konnte es mit der Technik in einer Geisterbahn vergleichen, nur war die Umgebung hier echter, und darauf kam es den Besuchern an.
Sein Ziel war der Turm und von dort aus der Weg über eine Treppe hinweg in die Tiefe. Durch eine Lücke zwängte er sich in ein Gebiet, das als ehemaliger Innenhof der Burg gedient hatte.
Über die Atmosphäre außerhalb der Burg hatte er nur wenig nachgedacht. Nun jedoch bemerkte er, dass er ein anderes Gebiet betreten hatte. Auch außerhalb der Gemäuer war es still gewesen, hier allerdings wirkte die Stille noch anders.
Er empfand sie als dicht oder kompakt. Sie umgab ihn wie ein unsichtbarer Mantel, wobei sie das Atmen nicht erschwerte.
Weitere Kostenlose Bücher