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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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Kapuzenträger hinweg die Sanddüne herauf und erfasste Nathans Gesicht. Er hob die Hände, um sich zu schützen – seine Arme brannten in der Hitze buchstäblich. Seine Ärmel fingen Feuer, seine Lähmung endete. Nathan ließ sich rückwärts fallen und rollte die Düne hinab.
    Der Moder versengten Fleisches begleitete ihn wie der Geruch verbrannten Specks. Er vergrub die Arme im heißen Sand, um das Feuer zu löschen. Eine Stimme rief ihn – die Stimme seines Vaters. Nathan , sprach sie, du bist der Auserwählte, der Erstgeborene. Du bist das Opfer .
    Nathan wollte schreien, wagte aber nicht, den Mund zu öffnen. Seine Haare standen in Flammen. Statt sie zu löschen, nährte der Sand sie, und sie breiteten sich seinen Rücken hinab aus. Lodernd rollte er weiter die Düne hinab; zwar empfand er keine Schmerzen, doch er spürte, wie sein Körper sich schwärzte und zu Asche zerfiel.
    Eingerollt und um sich schlagend, außerstande zu schreien, erreichte er den Fuß des Hügels. Der Rauchdämon strich mit einem Windschweif über ihn hinweg und ließ ein grollendes, überweltliches Gelächter vernehmen. Nathan schirmte das Gesicht ab und betete um Gottes Schutz, um das Ende des Traumes.
    Kühle. Der Geruch feuchten, frisch geschnittenen Grases.
    Nathan senkte die Arme. Sie waren nackt und unversehrt. Ein Blick den Körper hinab verriet ihm, dass er insgesamt völlig nackt war. Rings um ihn ragten die Schemen von Bäumen wie Wächter auf und verhüllten das Licht der Sterne. Hier war er in Sicherheit. Nur langsam offenbarten sich rings um ihn Formen, mehr als Umrisse und vage Andeutungen.
    Über ihm gerieten mächtige Schwingen in Sicht. Das Licht eines Mondes, den er nicht sehen konnte, erhellte die unbewegten Gesichter zweier Engel, die Wache hielten.
    Nein, erkannte er, das stimmte nicht ganz. Die Engel nahmen ihn nicht wahr. Sie starrten blicklos geradeaus, musterten einander wie bei einem stummen Zwiegespräch.
    Eine Stimme, diesmal nicht jene seines Vaters – kräftiger, tiefer und ohne Argwohn – verkündete: Du bist der Hüter .
    »Was?«
    Hinter Nathan kam Wind auf. Nathan drehte sich um. Aus der Schwärze löste sich der Rauchdämon, und dessen schillernde Augen überzogen ihn mit Feuer und Schmerz.
    Ruckartig erwachte Nathan und setzte sich auf der krummen Matratze auf. Er wartete und hoffte, dass er nicht aufgeschrien hatte wie unlängst im Bus. Pastor Hayden hatte genug um die Ohren, auch ohne sich um die Albträume eines erwachsenen Mannes sorgen zu müssen. Nathans Atem ging heftig. Schweiß rann ihm übers Gesicht, aber er wischte ihn nicht weg. Er wartete, ob aus dem Schlafzimmer Geräusche dringen würden. Nichts. Er holte tiefer Luft, hielt einen Augenblick den Atem an und blies ihn dann aus.
    Warum suchten ihn diese Träume immer noch heim? Er war in der Stadt angekommen. Keine angespannte Erwartung mehr. Somit hätten die Träume enden müssen.
    Langsam, zögerlich, legte er sich wieder hin. Diesmal verblassten die Einzelheiten des Albtraums nicht. In seiner Erinnerung starrte er auf die schattigen Umrisse der Engelsflügel – die einander zugestreckt waren – und empfand Dankbarkeit für den Trost, den sie inmitten der so lebendigen, grauenhaften Vision gespendet hatten. Traum , berichtigte er sich. Es war ein Traum, keine Vision.

Kapitel Sieben
    »Nathan!«
    Beverly Dinneck zog ihren Sohn in eine Umarmung und ließ ihn erst wieder los, als er auf sein Recht zu atmen pochte. Seine Mutter war eine große Frau, und solange Nathan zurückdenken konnte, sah man sie stets lächeln. Sie wich zwar einen halben Schritt zurück, hielt ihn jedoch nach wie vor an den Schultern fest. »Als du gesagt hast, man hätte dich ausgewählt, konnte ich es gar nicht glauben. Eigentlich glaube ich es erst jetzt, da du vor mir stehst!«
    Endlich ließ sie ihn los, um ihm das Hemd und die Krawatte glatt zu streichen. Nathan hatte an jenem Morgen beschlossen, sich vor allem die ersten paar Wochen in seinen besten Kleidern zu zeigen. Erst, wenn die Gemeinde sich ein wenig an ihn gewöhnt hatte, wollte er sich langsam zurück zu Jeans und Turnschuhen arbeiten.
    Seine Mutter versuchte, sich zurückzuhalten, konnte es aber nicht. Sie zog ihn in eine weitere Umarmung, die ihm die Luft aus den Lungen presste.
    Hinter den beiden sprach eine Männerstimme: »Ich hoffe, du hast mehr als einen Anzug. Wenn deine Mutter mit dir fertig ist, wird der völlig zerknittert sein.«
    Nathan drückte seine Muter noch einmal kurz, dann

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