Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
Vom Netzwerk:
anzuhören, aber er wollte es unbedingt wissen. Anscheinend auch seine Mutter, denn sie drehte sich um und wartete auf Arts Antwort.
    »Nichts, schätze ich«, seufzte er, wobei sein Blick rastlos über den Tisch wanderte – eine alte Angewohntheit Art Dinnecks, wenn er nach den richtigen Worten für etwas suchte. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Irgendwann dieses Jahr kam mir der Gedanke, dass man manchmal von etwas Abstand nehmen muss, um Luft zu bekommen, um herauszufinden, ob man wirklich dazu gehört. Ob man wirklich ... na ja, glaubt. Außerdem«, fügte er mit einem matten, beinah nervösen Lächeln hinzu, »weißt du ja, wie sehr ich es hasse, berechenbar zu sein.«
    Das wusste Nathan nicht . Bisher waren seine Eltern die berechenbarsten Menschen gewesen, die er kannte. Gewohnheitstiere. Es war ein Charakterzug, den er in sich selbst erkannte, eine genetisch bedingte Abneigung gegen Veränderungen, die sich die Linie der Dinnecks hinab fortzusetzen schien. Er schaute zu seiner Mutter, um ihre Reaktion zu sehen. Ihre Miene wurde sanfter, besorgt. Es schien fast natürlich, so als träte dieser Ausdruck in letzter Zeit öfter in ihr Gesicht.
    Irgendetwas stimmte nicht. Vielleicht trank sein Vater. Vor ein paar Jahren wäre ihm dieser Gedanke nicht so bereitwillig gekommen, aber während seiner kurzen Dienstzeit in Orlando hatte er öfter als einmal miterlebt, wie schnell es damit gehen konnte. Das ist nur allzu verbreitet , hätte sein damaliger Pastor in Florida, Ron Burke, gesagt. Nathans Vater wirkte schlanker, aber keineswegs auf ungesunde Weise. Auch waren seine Augen nicht blutunterlaufen oder geädert, wie es bei Alkoholikern manchmal der Fall war.
    »Tut mir Leid«, meinte Nathan schließlich und rang sich ein Lächeln ab. »Berufsbedingte Neugier. Aber ich darf doch davon ausgehen, dass du dieses Wochenende kommst, oder? Pastor Hayden will bis Sonntag warten, bevor er mich der Gemeinde formell vorstellt.«
    Art antwortete nicht sofort. Sein Gesichtsausdruck versteifte sich, wirkte beinah verwirrt. Beverly trat vor und legte eine Hand auf die Rückenlehne von Nathans Stuhl.
    »Wir werden mit absoluter Sicherheit da sein. Sag, bekommt die Mutter des Pastors einen speziellen Sitzplatz mit einer Namensplakette aus Messing?«
    Nathan ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich weich und vom Spülen nass an. »Ich werde sehen, was sich machen lässt, Mom.« Mit einem Blick zurück zu seinem Vater fügte er hinzu: »Nun?«
    Endlich lächelte Art. »Das würde ich um keinen Preis verpassen.« Sein Lächeln erreichte nicht ganz die Augen. Nathan beschlich das Gefühl, dass dieser Sonntag der einzige Kirchenbesuch Art Dinnecks werden würde, unabhängig davon, wer künftig die Predigt hielt. Am liebsten hätte er noch weitere Fragen gestellt, doch es war fast an der Zeit zu gehen, und er wollte, dass sein Besuch freundschaftlich endete.
    Sie tranken ihren Kaffee aus, aßen den Toast auf und unterhielten sich dabei über die Leute in der Stadt. An einige erinnerte sich Nathan, an andere nicht. Es dauerte nicht lange, bis seine Mutter – mit Hoffnung in der Stimme – erwähnte, dass Elizabeth O‘Brien immer noch im Ort lebte. Sie war mittlerweile ausgebildete Krankenpflegerin und arbeitete im Rosenberg. Wo er ihr vielleicht über den Weg laufen würde, wie seine Mutter meinte.
    Das Rosenberg Seniorenpflegeheim war ein weißer, niedriger Gebäudekomplex, ein altes, aber laut Pastor Haydens kurzer Erwähnung beim Abendessen vergangene Nacht gut geführtes Krankenhaus und Altersheim. Nathans Magen zog sich angesichts der Gewissheit zusammen, dass seine und Elizabeths Wege sich kreuzen würden. Erst am Vortag hatten Hayden und er dort eine Runde gedreht, da der Dienstag für Seelsorgerbesuche vorgesehen war. Dabei war er ihr nicht begegnet. Aber natürlich würde kommende Woche die nächste Möglichkeit anstehen. Die Vorstellung erweckte widerstreitende Gefühle in ihm – Besorgnis einerseits, andererseits aber auch Erleichterung. Während seine Mutter sprach, behielt er eine verbindliche Miene bei. Jeder Gedanke an ein Wiederaufflammen dieser Beziehung musste im Keim erstickt werden. Er musste sich auf seine neue Aufgabe konzentrieren, und Elizabeths Abschiedsworte, bevor er zu seinem Abschlussjahr im Priesterseminar zurückgekehrt war – vor über fünfeinhalb Jahren, wie ihm mit Entsetzen klar wurde –, hallten noch in seinem Gedächtnis wider.
    In der Schule waren Elizabeth und er befreundet gewesen, so

Weitere Kostenlose Bücher