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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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lange er zurückdenken konnte. Wie er war sie ein Einzelkind, wodurch sie einander verbunden gefühlt hatten. Als sie älter wurden, verlagerte ihre Beziehung sich auf angenehme Weise zu etwas mehr. In vielerlei Hinsicht ergänzten sie sich. Nathan war nie spontan gewesen. Er zog es vor, die Dinge zu planen, sich den besten Film oder die beste Veranstaltung herauszusuchen, bevor er das Haus verließ. Elizabeth hingegen genoss es, einfach ins Showcase Kino zu gehen und sich eine Eintrittskarte für einen Film zu kaufen, über den sie überhaupt nichts wusste. Sie war stets auf der Suche »nach etwas Neuem, das mich anspringt«, wie sie es auszudrücken pflegte.
    Nathan erinnerte sich oft an einen bestimmten Samstag während ihres Abschlussjahrs in der Highschool: Elizabeth und er fuhren in ihrem zehn Jahre alten Subaru zur jährlichen Messe in Woodstock nach Connecticut. Unterwegs fiel ihr ein kleines Schild am Rand der Fernstraße auf – Quilt-Museum, nächste Ausfahrt –, und sie bog einfach ab. Sehr zu Nathans anfänglichem Verdruss verbrachten sie die nächste Stunde damit, auf den Nebenstraßen nach dem Museum zu suchen. Es stellte sich als größere Scheune auf dem Hinterhof einer alten Frau heraus. Die Greisin war klein, strotzte aber vor Energie. Begeistert führte sie Elizabeth und ihn durch die Scheune, die nur von einer einzigen, nackten Glühbirne und dem spärlich durch das breite Tor einfallenden Sonnenlicht erhellt wurde. Elizabeth und er lernten die Geschichte jedes an den Wänden und von den Balken hängenden Quilts kennen. Angefangen hatte die alte Frau mit dem Museum, wie sie erklärte, um die Einsamkeit nach dem Tod ihres Mannes zu zerstreuen und um ihre Arbeit – alle Quilts stammten von ihr – so vielen Menschen wie möglich zu präsentieren, bevor auch sie diese Welt verließ. Schließlich verabschiedeten sie sich von ihr und fuhren weiter nach Woodstock. Allerdings konnten all der Lärm und all die Menschen der Messe der schlichten Stille jener Scheune nicht das Wasser reichen. Ohne Elizabeths Impulsivität hätte Nathan nie erfahren, dass es jene einsame Frau überhaupt gab, und er hätte nie jene paar Stunden ihres Lebens mit ihr geteilt. Ähnlich hätte er ohne sie zahlreiche andere Erinnerungen aus seinen Teenagerjahren nie erfahren.
    Elizabeth. Es war immer sie gewesen.
    Nur einen Aspekt ihrer beider Leben teilten sie nicht miteinander, so sehr Nathan sich dafür auch eingesetzt hatte. Elizabeth war keine praktizierende Christin, obwohl ihre Familie zur Gemeinde von St. Malachy gehört hatte. Die O‘Briens hatten auch den Gottesdienst besucht, wenngleich unregelmäßig – bis zwei Wochen vor Elizabeths dreizehnten Geburtstag ihr Vater auf dem Weg von der Arbeit nach Hause bei einem Autounfall starb. Nach der Beerdigung hörten sie und ihre Mutter auf, die Kirche zu besuchen, außer gelegentlich zu einer Weihnachts- oder Ostermesse. Nathan wollte sie nie bedrängen, lebte stattdessen mit seinem eigenen Glauben weiter und hoffte, dass er sie durch den Trost, den er ihr so gut wie möglich zu spenden versuchte, zurück zum Herrn führen würde. Allerdings wurden seine vereinzelten Einladungen zum Besuch des Gottesdiensts in Hillcrest stets abgelehnt.
    Sechs Monate vor jenem verhängnisvollen Vorabend seiner Rückkehr zur Universität war ihre Mutter an einem Hirnaneurysma gestorben, auf den Monat genau zehn Jahre nach ihrem Vater. Danach war Nathan ab der Beerdigung bei Gesprächen eine wachsende Entfremdung in Elizabeths Stimme aufgefallen.
    Als er am Abend vor seiner Abreise die Koffer packte, hatte sie ihn still von seinem Schreibtischstuhl aus beobachtet. Plötzlich hatte Nathan den Drang verspürt, sie aufzufordern, mit ihm am nächsten Tag vor seiner Abreise den Gottesdienst zu besuchen. Schlagartig hatte sie sich frostig gezeigt und mit zu viel Überzeugung, um es als bloßen Wutausbruch abzutun, zu ihm gemeint: »Es gibt keinen Gott. Es hat ihn nie gegeben und wird ihn nie geben. Sei nicht so naiv, Nate!«
    Das hatte ihm die Sprache verschlagen. Er hatte weiter gepackt und über eine Erwiderung nachgedacht, doch ihm war nichts eingefallen. Bis heute wusste er nicht, was ihn mehr aus dem Gleichgewicht gebracht hatte – ihre forsche Behauptung, es gäbe keinen Gott, oder der Umstand, dass sie ihn als naiv bezeichnet hatte. Vermutlich beides. Jener Abend hatte früh geendet, zumal sie beide mit dem heraufbeschworenen Schmerz nicht umzugehen gewusst hatten. Etwas zwischen ihnen war

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