Das Grab des Salomon
Kirche als auch der Hagia Sophia hatten Everard in die Stadt und auf die umliegenden Inseln gelockt. Seine Fähigkeit, andere zu kontrollieren, hatte ihm frühere Besuche in diesem sagenumwobenen kreuzförmigen Raum ermöglicht.
Seine Männer sahen sich staunend in der Basilika um. Die Schätze an diesem Ort waren schier unermesslich. Everard sprach mit jedem Mann einzeln und teilte jedem mit, dass all dies allein ihnen gehören würde, wenn sie jetzt täten, was er von ihnen verlangte. In Wahrheit würden schon bald scharenweise ihre Mitstreiter eintreffen, doch das brauchten sie nicht zu wissen.
Sie folgten dem Ritter an eine Stelle hinter der Geißelungssäule. Zum Glück kannte niemand außer Everard ihre Bedeutung. Auch so enthielt der Raum genug Ablenkung, um es schwierig zu gestalten, die Männer unter Kontrolle zu behalten.
»Sire«, rief ein Knappe namens Marcus, höchstens sechzehn Jahre alt. Er hielt eine gerissene Sandale hoch. »Das hier fand ich auf dem Boden. Dort drüben.« Er deutete auf einen Abschnitt der Wand unmittelbar hinter der Säule. Für die anderen barg die Entdeckung keine Bedeutung. Everard jedoch verriet sie, dass ihm jemand zuvorgekommen war!
»Rasch!« Wie bei seinem letzten Besuch in diesem Raum tastete er die Wand entlang, doch nun wusste er, wonach er suchte. Tatsächlich hatte er erst vor einer Woche die angrenzende Kammer betreten. Everard hatte vor der Bundeslade gestanden und vor Freude geweint, ein für ihn untypischer Ausdruck von Emotionen, den er sich bei dieser Gelegenheit gestattet hatte. Weiter allerdings hatte er sich nicht vorgewagt. Eile konnte todbringend sein. Stattdessen war Everard auf sein Schiff zurückgekehrt und hatte mit der beinah allzu einfachen Aufgabe begonnen, die Kreuzritter dahingehend zu beeinflussen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Kaiser Alexius V., der romfeindliche Nachfolger seines geköpften Vorgängers, verweigerte jegliche Verhandlungen mit Rom. Danach gerieten die Dinge von selbst ins Rollen. Die Männer lechzten nach Gefechten und anderen, anzüglicheren Vergnügungen, die in einer so großen Stadt zur Verfügung standen. Die Invasion Konstantinopels durch die Streitkräfte des Vierten Kreuzzugs bildete den Höhepunkt des Gesamtplans von Everard von Dampierre. Und des großen Gottes Moloch, den man im Verlauf der Jahrhunderte unter vielen Namen gekannt hatte – Fürst des Chaos und des Todes, Loki, Luzifer.
Nun würde der Schatz, nach dem sein Meister seit den Tagen von Salomons Fall suchte, endlich ihm gehören. Kein flohverseuchter Priester, kein anderer Ritter oder sonst jemand, der sich in der Kammer befinden mochte, würde ihn aufhalten. Everard hatte auf der anderen Seite dieses steinernen Durchgangs gestanden und mit eigenen Augen gesehen, mit eigener Seele gespürt, welche Macht die Reliquie besaß. Ihm war klarer als vermutlich tausenden vor ihm, weshalb der Meister sie so sehr begehrte. Die geistlosen anderen Gerüchte oder Theorien der Ältesten und so vieler seiner Vorgänger kümmerten ihn nicht. Für ihn war es einfach ... perfekt .
»Haltet euch bereit, um hineinzustürmen, sobald die Türe offen ist.« Die Männer zogen die Schwerter und erwarteten auf der anderen Seite eine Riege von Verteidigern. Everard zog den linken der genieteten Handschuhe aus und setzte Finger in die drei so angeordneten Löcher, dass sie den Blicken beiläufiger Beobachter verborgen blieben. Er zog. Seine Hand war feucht vor Schweiß. Seine Finger rutschten ab, und die Tür fiel krachend zu. Fluchend wischte er sich die Hände am ledernen Unterarmschutz ab und versuchte es erneut. Diesmal stemmte er sich mit dem ganzen Körper hinein. Die Tür öffnete sich.
»Du«, sagte er zu dem Knappen. Dabei konzentrierte er die Stimme, da der Bursche seine Umgebung allmählich etwas zu gierig betrachtete. »Stell dich hierher und halte den Durchgang offen. Falls jemand anderes als wir aus einer beliebigen Richtung kommt, tötest du ihn.«
»Sire!« Der Junge namens Marcus lehnte sich gegen die Tür. Everard führte seine Männer den langen Gang hinab und bog um die Ecke, dann blieb er stehen. Er wusste bereits, welcher Anblick ihn erwartete. Die anderen strömten an ihm vorbei, ehe auch sie erstarrten, als sie begriffen, was vor ihnen stand.
»Mein Gott«, stieß einer der Männer hervor und sank auf die Knie.
»Sprecht diesen Namen hier nicht aus!«, brüllte Everard. »Tut, was ich sage, und die Welt wird euch gehören!« In seiner Stimme
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