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Das Grab des Salomon

Das Grab des Salomon

Titel: Das Grab des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G Keohane
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mitgeschwungen hatte, war verschwunden.
    Nathan wusste, dass er es dabei bewenden lassen sollte, doch irgendetwas trieb ihn weiter. Was immer in seinen Vater gefahren sein mochte, es fühlte sich nach etwas Größerem an. Erneut fragte sich Nathan, ob dieser Verhaltensumschwung vielleicht weniger mit dem Herrenklub als vielmehr mit dem Menschen selbst zu tun hatte. Trank er? Hatte er etwa, Gott behüte, eine Geliebte? Letzteres schien zu unvereinbar mit Art Dinneck. Und zu schwer zu verdauen.
    »Tja«, meinte Nathan und wappnete sich für einen möglichen Streit, »sagen wir einfach, ich möchte gern wissen, was in meiner neuen Gemeinde so vor sich geht.«
    »Ich bin kein Teil deiner Gemeinde, mein lieber Herr Pastor. Ich bin dein Vater. Vergiss das mal bloß nicht.«
    Die Äußerung und der kalte, unvertraute Tonfall trafen Nathan, als hätte sein Vater ihn geschlagen. Hilflos musste er feststellen, dass ihm die Worte fehlten.
    »Hör mal, ich muss wieder an die Arbeit«, fuhr sein Vater fort. »Gibt es sonst noch etwas?«
    Nathan bewegte stumm die Lippen. Er spürte, wie eine starke Emotion, wie die Zurückweisung ihm unter die Haut kroch und sich in seiner Brust einnistete. Schließlich brachte er hervor: »Nein, ich denke nicht.«
    »Danke für den Anruf. Wir sehen uns.«
    Damit legte Art Dinneck auf. Nathan hielt weiter den Hörer in der Hand, während ihm der Signalton ins Ohr dröhnte.
    Am anderen Ende der unterbrochenen Leitung vergrub Art Dinneck das Gesicht in den Händen und stützte sich auf den Schreibtisch. Durch die Finger hindurch holte er Luft und zwang sich, nicht zu schluchzen. Warum hatte er ausgerechnet mit Nate so geredet? Warum tat er es jedes Mal bei Beverly, wenn sie ihm dieselbe Frage stellte? Es war, als würde ein Schalter in seinem Kopf umgelegt, sobald ihn jemand bedrängte, um eine Antwort zu erhalten. Sie mischen sich ein , sprach eine tief vergrabene Stimme. Wie können sie es wagen, dich nach uns zu fragen? Du bist ein erwachsener Mann – du kannst deine eigenen Entscheidungen treffen. Manchmal hörte es sich wie eine richtige Stimme an, doch wenn er sie jemandem zuzuordnen versuchte, verblasste der Eindruck sofort.
    Beverly musste mehr vermuten, als er ursprünglich gedacht hatte. Wenn selbst Nate die Schuld in den Augen seines Vaters so rasch erkannte, musste Bev noch mehr darin sehen. Eine Nacht. Eine einzige, alkoholschwangere Nacht, und alles hatte sich verändert. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Er liebte seine Frau, liebte seine Familie und Gott. Aber wenn das stimmte, weshalb verspürte er dann einen so starken Drang, der Kirche fernzubleiben? Eigentlich sollte er auf die Knie fallen und den Herrn um Vergebung anflehen. Danach sollte er abermals auf die Knie sinken und Beverly um Vergebung anbetteln. Zwei Absolutionen, die ihn schlagartig aus der verwirrenden Spirale befreien würden, in der er sich seit einigen Monaten gefangen sah. Stattdessen kehrte er Abend für Abend in den Herrenklub zurück, als triebe ihn eine Sucht dorthin.
    Wartest du womöglich darauf, dass die Frau wieder auftaucht? fragte die Stimme.
    »Nein«, flüsterte er zwischen den Händen hindurch und hoffte, dass ihn niemand hörte. In jener Nacht hatte er zuviel getrunken, das war alles. Normalerweise gönnte er sich höchstens gelegentlich ein Bier oder ein Glas Wein. In jener Nacht musste er das Limit, das sein Körper vertrug, deutlich überschritten haben – so sehr, dass ihm die späteren Ereignisse nur verschwommen in Erinnerung geblieben waren. Als seltsam empfand er, dass er sich nicht entsinnen konnte, mehr als ein Bier getrunken zu haben. Und dennoch war er derart weggetreten gewesen, dass er vermutlich gar nichts mehr wüsste, hätte nicht Manny Paulson, der ihn damals nach Hause gefahren hatte, die Erinnerungslücken gefüllt. Vielleicht wäre es anders besser gewesen. Unwissenheit ist ein Segen, wie man so schön sagte.
    Art lehnte sich auf dem Stuhl zurück und drückte abwesend die Leertaste der Tastatur, um zu verhindern, dass der Bildschirmschoner einsetzte. Er hatte immer noch Mühe, Einzelheiten über die Frau aus dem Gedächtnis zu kramen. Sie hatte krauses rotes Haar gehabt, davon war er überzeugt. Eine weiße Bluse, ein breites Lächeln. Er erinnerte sich daran, mit ihr geredet zu haben, nachdem sie den Klub betreten hatte, weil sie durch eine Autopanne gestrandet war. Spontan hatte sie beschlossen, zu bleiben und ›Spaß zu haben‹. Die letzten drei Worte hatte er noch

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