Das Grab des Tauren
erreichte nicht einmal mehr den Eingang des Tempels. Ein furchtbarer Schlag im Innern seines Schädels schmetterte ihn zu Boden.
3.
Als Thonensen erwachte, fühlte er keinen Schmerz. Um ihn war gedämpft durch dicke steinerne Mauern das unentwegte Heulen und Hämmern Giantons. Er schlug die Augen auf und erkannte, daß er sich noch im Tempel befand. Er saß und lehnte mit dem Rücken gegen den Thron. Er hielt noch immer Nottres Klinge in der Rechten. Sie war voll Blut.
Es war alles kein Traum gewesen. Aber er konnte sich eines Gefühls der Unwirklichkeit nicht erwehren. Ein Priester stand reglos in der Düsternis und beobachtete das Erwachen des Magiers. Als Thonensen sich erhoben hatte, sagte der Priester:
»Seine Hohe Würdigkeit läßt Euch sagen, daß Ihr Gianton verlassen könnt, wann immer Ihr es wünscht, und daß Ihr immer in der Stadt willkommen seid. Das Schwert hat seine Hohe Würdigkeit sehr beeindruckt. Er hält es für einen guten Gedanken, daß Thonensen es für ihn führt. Der Mächtige ist mit Euch, Master Thonensen.«
Thonensen versuchte zu begreifen. Parthan hat seine Drohung wahrgemacht, durchfuhr es ihn. Ein Mal… ein Auge…! Er starrte auf seine Hände, betastete sein Gesicht und seine Augen, schüttelte verwundert den Kopf, versuchte zu ergründen, ob irgend etwas in ihm anders war…
»Siehst du ein Mal an mir, Priester…?« begann er, aber der Priester war gegangen.
Voll Unbehagen machte sich Thonensen daran, den Tempel zu verlassen. War alles nur ein Trick? Wenn er alles recht verstanden hatte, was Parthan zu Lydia sagte, so wollte der Priester, daß Nottr und seine Barbaren flohen.
Er hatte nicht gesehen, was geschehen war. Aber Parthan hatte von seinem Werkzeug gesprochen.
Er hatte genug Erfahrungen mit der Schwarzen Magie und der Finsternis, um Parthan ernst zu nehmen. Er mochte die Ketten im Augenblick nicht fühlen, aber sie würden da sein, wenn Parthan den Augenblick für gekommen hielt. Er sollte sich fernhalten von Nottr, von Maer O’Braenn und den Gefährten. Er sollte in die Einsamkeit gehen, wo er niemandem schaden konnte, und versuchen, herauszufinden, welche Macht Parthan und sein Dämon über ihn hatten. Und versuchen, sich zu vernichten – nicht töten. Töten war nicht genug, wenn es keinen anderen Weg gab, sich zu befreien.
Aber er mußte Nottr warnen.
Er trat hinaus in die fahlschimmernde Straße. Der Anblick stieß ihn nicht ab wie zuvor. Er spürte eine vage Vertrautheit und schauderte. Die steinerne Umwelt erfüllte ihn mit Beruhigung. Paraphaenes Kraft war überall, der Schutz und die Macht der Mächtigen allgegenwärtig…
Er schloß die Augen und unterdrückte diese Gedanken. Es gab keinen Zweifel, er war wieder besessen – auf eine andere Weise als in Vassanders Gewalt, aber dennoch ein Sklave – ein Sklave der Finsternis.
Er beschleunigte seinen Schritt. So lange sie ihm so viel Freiheit ließen, wollte er sie nutzen. Die Gianten blickten nicht auf. Sie besaßen keine Neugier mehr. Priester und Akolythen musterten ihn scharf, aber nur kurz, dann wandten sie sich wieder ab, ohne ihn zu behelligen. Beunruhigt hastete er durch die Straßen. War ein solch auffälliges Mal an ihm, daß sie es mit einem kurzen Blick erkennen konnten? Die Wachen am großen Stadttor ließen ihn gleichgültig passieren. Als die Tore sich hinter ihm schlossen, erlosch auch das unablässige Hämmern der Schmieden in seinem Kopf, die Geräusche der Verdammnis und der Gestank der Hölle.
Nach ein paar Schritten stand er geblendet im Sonnenlicht. Er hatte fast vergessen gehabt, was Licht und Wärme waren.
Dann entdeckte er nicht weit voraus eine Schar Gianten, ein halbes Dutzend, die hinter einem Priester hermarschierten. Er beschleunigte seinen Schritt. Ritter Dhagger, hatte Parthan gesagt. Wenn er Nottr finden wollte, mußte er mehr über diese Burg Maghant wissen. Der Priester konnte ihm die Auskünfte geben, die er brauchte.
Er sah sich um und beobachtete den Himmel. Keine fliegenden Späher folgten ihm. Vor ihm begann das Land anzusteigen zu immer höheren und kargeren Hügeln – das Hochland von Caer.
Die Gruppe der Gianten marschierte rasch, so daß Thonensen anfangs kaum näher kam. Erst als der erste Hügel zwischen ihnen und der Stadt lag, und die steinernen Türme aus dem Blickfeld verschwanden, konnte der Magier langsam aufholen. Manchmal sah es so aus, als unterhielten sich die Gianten miteinander, und das war sehr ungewöhnlich. Schließlich blieb einer
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