Das Grab des Tauren
Blickfeld kam. Das Mal, mit dem Parthan ihn gezeichnet hatte, mußte demnach unsichtbar für alle sein, die nicht dem Kult angehörten, denn weder Dhagger, noch die Lorvaner, noch die Diener des Ritters bemerkten etwas an Thonensen, das sie erschreckt hätte. Daß es die Priester erschreckte, die Parthans strafende Hand fürchteten, und die des Dämons, nun da Lydia von Ambor tot war, verstand sich von selbst.
Nottr war fast wieder der alte. Sein Schädel war ein Hort der Pein, aber das schäumende Getränk, das der Burgherr auftischen ließ, und dessen Namen und Herkunft er nicht preisgeben wollte, ließen es ihn weitgehend vergessen. Thonensen beobachtete ihn und versuchte das Mal zu entdecken, mit dem der Barbar gezeichnet war, denn dessen, daß Parthan sich seiner versichert hatte, bevor er ihn fliehen ließ, war der Magier sicher. Aber er fand nichts Auffälliges. Nottres Berserkerwut war verraucht.
Aber mochte sie jederzeit wiederkehren? War das sein Mal?
Dhagger O’Maghant war höflich, wohl auch, weil er Gäste aus so fernen Ländern noch nie zuvor beherbergt hatte, aber er war mißtrauisch und nährte seinen Grimm über den Tod Lydias von Ambor. Thonensen fragte sich, wie die beiden wirklich zueinander gestanden hatten.
Bewaffnete standen überall im Schatten der Wände. Frauen ließen sich nicht blicken, auch keine Kinder. Zwei jüngere Männer saßen mit Dhagger an der Tafel, die er als Cleur und Maron vorstellte. Dem Alter nach möchten sie seine Söhne sein, doch er schwieg sich darüber aus.
Thonensen kam immer mehr zu der Überzeugung, daß sie gar nichts mehr zu verlieren hatten – daß ein Feind mehr gar nichts bedeutete, aber ein Verbündeter mehr sehr viel. Da Nottr sehr einsilbig war, wohl weil der dem Burgherrn nicht traute, und da seine Gefährten nicht gesprächiger sein wollten als ihr Anführer, begann Thonensen trotz Lellas warnender Blicke, in zwar nicht prahlerischen, aber auch nicht bescheidenen Worten von ihren Abenteuern zu berichten.
Dhagger hatte offenbar nicht viel mehr gewußt, als daß Nottr ein Barbarenhäuptling war, der mit einigem Erfolg gegen die Schwarzen Priester kämpfte, aber der nun seine Heerschar verloren hatte. Daß Lydia diesen häßlichen, fellbewachsenen Wilden für ihr Vergnügen hätte haben wollen, verstand er allerdings nicht. Von dem Eisländer-Magier Stennrwijk wußte er nicht viel mehr als den Namen. Daß sie gegen die Priester und ihre Ungeheuer kämpften, weckte gewiß Sympathien in ihm – aber viel, das hatte er gleich bei der Ankunft der Fremden gesehen, konnte er diesen groben Gesellen nicht abgewinnen. Und Magiern konnte er ebensowenig abgewinnen wie Priestern. Ein Krieger sah in ihnen nur ehrloses Gesindel.
Aber Dhaggers Augen leuchteten auf, als Thonensen berichtete, daß sie mit Maer O’Braenn geritten waren, daß sie Darain erobert hatten, Amorat getötet und den Dämon Duldamuur vernichtet. Und seine Miene wurde zweifelnd, als Thonensen verkündete, daß ihr Ziel stong-nil-lumen war, und daß sie den Steinkreis des Bösen niederreißen wollten, wenn das möglich war. Aber dazu brauchten sie Hilfe – die Hilfe der Hochländer, die Maer O’Braenn in glühenden Worten versprochen hatte. Die Hochländer, die ihre geliebten caerischen Hügel nicht in einem Meer steinerner Götzen, dämonischer Kulte und Schwarzer Magie versinken sehen wollten.
Das alles rührte tief an Dhagger O’Maghants stolzer Hochländerseele, auch wenn er nicht alles glaubte. Er brauchte Zeit, um nachzudenken und sich über ein paar Dinge klar zu werden. Er war bereit, ihnen Schutz zu gewähren. Wenn er sie eine Weile beobachtete, würde er bald erkennen, ob sie die Wahrheit sagten. Er war ein guter Menschenkenner. Und er würde Erkundigungen einziehen. Andererseits wußte er auch, daß Maghant nun nach Lady Lydias Tod wohl die besondere Aufmerksamkeit seiner Hohen Würdigkeit zu spüren bekommen würde, denn Parthan würde wissen oder wenigstens ahnen, wo die Flüchtigen Unterschlupf gefunden hatten.
Gewiß, Maghant war eine starke Festung, vielleicht unbezwingbar für Menschen, aber nicht stark genug für einen Alleingang gegen die Finsternis. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder Hilfe zu finden, oder sich dem Stärkeren zu beugen, und einen Weg zu finden, mit der Finsternis zu leben.
»Wo ist Maer O’Braenn?« fragte er.
»Hier im Hochland«, erklärte Thonensen. »Er hat Parthans Auftrag, die Stämme zu beruhigen und zu einen, um ein starkes Hinterland zu
Weitere Kostenlose Bücher