Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
schüttelte den Kopf. »Keine Anzeichen für Strangulation, stumpfe Gewalteinwirkung, Stich- oder Schnittverletzungen. Keine Abwehrverletzungen auf ihren Finger-, Hand- oder Armknochen. N eben den von Bären verursachten Schäden gibt es absolut keinen Hinweis auf Gewalteinwirkung.«
»Zeigen Sie mir das.«
Knochen für Knochen führte ich ihn durch das ganze Skelett.
Hin und wieder stellte ein besänftigter Schechter eine Frage. Als ich mit meinen Erläuterungen fertig war, saßen wir alle stumm da.
Tick. Tick. Tick. Tick. Tick.
Ich konnte sehen, dass Schechters Hirn arbeitete, dass er versuchte, diese neue Information einzuordnen. Und vielleicht die Stunden zusammenzählte, die er dem alten Edward Allen in Rechnung stellen konnte.
»Sagen Sie mir eins, Mister Schechter. Was hat das alles hier ausgelöst?« Meine Geste umfasste die Leinwand, die Berichte und uns vier am Tisch.
»Das ist kaum -«
»Sachdienlich. Bitte seien Sie nachsichtig mit mir.« Schechter starrte mich an, die Lippen zu einem Strich verkniffen. Ich erwartete, dass er sich Block und Kuli schnappte und den Raum verließ. Zu meiner Überraschung antwortete er mir.
»Mr. Jurmain wurde darüber informiert, dass die Ermittlungen über den Tod seiner Tochter entweder fehlerhaft durchgeführt oder bewusst verfälscht wurden.«
»Von mir.«
»Ja.«
»Informiert von wem?«
Schechter zögerte, offensichtlich überlegte er, Wie viel er preisgeben, wie viel er zurückhalten sollte.
»Der Anrufer hinterließ keinen Namen.«
Wut verdrängte jeden Triumph, den ich hätte empfinden können, weil ich diesen Mann niedergerungen hatte.
»Sie haben diese Hexenjagd also ausschließlich auf Grund eines anonymen Tipps initiiert?«
»Mein Mandant hielt diesen Anruf für echt.«
»Sie hätten Ihren Mandanten hinsichtlich angemessener Vorgehensweisen beraten können.« Wieder nur ein langes Starren. Ich erwiderte es.
Tick. Tick. Tick. Tick. Tick.
Kommentarlos packte Schechter seine Sachen zusammen, klappte den Aktenkoffer zu und ging zur Tür. Die Hand bereits auf dem Knauf, drehte er sich noch einmal um.
»Sie haben einen Feind, Dr. Brennan. Ich würde sagen, es ist in Ihrem Interesse herauszufinden, wer diesen Anruf getätigt hat.«
Und damit verschwand er.
5
»Richie Cunnigham war da drin ja eine große Hilfe.«
»Wer?«
»Du weißt schon, Richie und der Fonz. Aus Happy Days?« Ryan deutete auf seinen Kopf. »Rote Haare?«
»Du schaust zu viel fern.«
»Verbessert mein Englisch.« Wieder dieser grässliche französische Akzent.
»Chris hat uns immerhin vorgewarnt, dass Jurmains Anwalt uns diese hirnrissigen Behauptungen auftischen würde.« Obwohl ich Corcoran verteidigte, konnte ich Ryan nicht wirklich widersprechen. Mein Schulfreund hatte sich für mich nicht gerade ins Zeug gelegt.
»Na klasse, Alter.«
Ryan und ich fuhren auf der Harrison nach Osten. Ich saß am Steuer. Er spielte den Beifahrer. Wie am Flughafen und im Hotel war dieses Arrangement Ergebnis einer lebhaften Debatte gewesen. Ryan hatte mit seinen überlegenen fahrerischen Fähigkeiten argumentiert. Ich hatte mit meiner besseren Kenntnis der Stadt dagegengehalten. Das war zwar ein bisschen dick aufgetragen gewesen, aber mein zweites Argument hatte schließlich den Ausschlag gegeben. Mein Mietwagen, meine Entscheidung.
»Chris hatte noch nie großes Durchsetzungsvermögen«, sagte ich.
»Ein Goldfisch hat mehr Durchsetzungsvermögen als dieser Kerl. Er sollte bei Schechter in die Schule gehen.«
»Stimmt«, schnaubte ich. »Schechter ist ein Stier.«
»Und du hast ihm die Hörner gestutzt.«
Ryan grinste und ließ seine Augenbrauen tanzen, wie er es so gern tat.
Ich lächelte und hob die rechte Hand. Er klatschte mich ab.
Einige Augenblicke fuhr ich schweigend und dachte einen sehr lächelfernen Gedanken. Ryan sprach ihn aus.
»Schechter hatte recht, als er meinte, du solltest die Quelle identifizieren.«
»Ja«, sagte ich.
»Soll ich mit Jurmain reden?«
»Danke, Ryan. Aber das schaffe ich selber.«
»Ich komme immer wieder auf eine Frage zurück.«
»Wer ist dieses Arschloch von Anrufer?«
»Ja, natürlich. Aber auch, warum? Was ist die Motivation, dich in die Pfanne zu hauen? Hast du in letzter Zeit irgendjemanden sauer gemacht? Ich meine, mehr als normal?«
Ich schaute Ryan an und verzog das Gesicht.
»Augen auf die Straße. Das Zeug ist rutschig.«
Ryan hatte recht. Graupel war bereits auf die Windschutzscheibe geprasselt, als wir heute am frühen
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