Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
nicht, wenn man ihnen diese Frage stellt?«
» Ich nicht.« Ryans Gesicht erstrahlte in einem Jungenlächeln. Ich konnte nicht anders, ich musste zurückgrinsen. Wir waren so lange ein Team gewesen, Ryan als Detective und ich als diejenige, die die Opfer untersuchte. Obwohl der Bruch zwischen uns schwierig war, wollte ich, dass diese gemeinsame Arbeit weiterging. Früher waren wir mal ausschließlich Kollegen gewesen, und wir konnten es wieder sein.
»Ich denke, wir sollten essen und dich dann zum Flughafen bringen. Bei dem Wetter kann es ziemlich eklig werden, nach O'Hare zu kommen.«
»Sehr praktisch gedacht.« Ryan nickte ernst.
Minuten vergingen. Die beiden Männer neben uns waren sich uneins, was die Unfähigkeit des Trainers der Blackhawks anging.
Unser Essen kam. Das meine erwies sich als eine mit Lamm- und Käsebrocken gefüllte Blätterteigpastete.
Beim Essen gingen mir unwillkommene Erinnerungen durch den Kopf.
Der Anfang. Meine Ankunft im Montrealer Institut, bewaffnet mit einem Grundsatz gegen Büroromanzen. Ryans Missachtung dieses Grundsatzes. Mein letztendliches Nachgeben.
Die Mitte. Abendessen bei Kerzenschein in Vieux-Montréal.
Spaziergänge auf den Berg. Essen vom Tablett vor Filmklassikern im Fernseher. Ausflüge in die Laurentians. Flüge in die Carolinas. Reisen nach Guatemala und Israel.
Das Ende. Ryans Offenbarung eines neu entdeckten Sprösslings, eines wütenden, heroinsüchtigen Mädchens. Daddys Plan, wieder mit der Mutter zusammenzugehen, um die Tochter zu retten.
Unser letztes gemeinsames Abendessen, Ryans Worte, die mir ein Loch ins Herz rissen. Ich war aus dem Spiel. Lily und Lutetia waren drin. Adieu. Ein schönes Leben noch.
Dann, drei Monate später, Ryans Eingeständnis, dass er einen Fehler gemacht hatte, eine Entschuldigung und das Angebot einer Wiedervereinigung. Lily war in der Reha, und er und Lutetia lebten getrennt. Ryan wollte mich. Wollte uns.
Hey, mein Großer. Neuauflagen sind nicht so einfach.
Seit dieser Unterhaltung waren zwei Monate vergangen. Ich hatte Ryans Angebot weder abgelehnt noch angenommen. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.
Abgedroschen, ich weiß. Aber es gibt einen Grund, warum gewisse Sätze zu Klischees werden.
»- Scheiße. Die haben O'Hare zugemacht.« Die Wörter drängten sich in meine Erinnerungen.
Ich schaute zum Nebentisch. Einer der Sportkritiker starrte auf sein BlackBerry.
»Haben Sie eben gesagt, dass der Flughafen geschlossen ist?«, fragte ich.
»Können Sie das glauben?«
»Warum?«
»Eine Bombendrohung, ein Sicherheitsleck oder sonst irgendein Quatsch.«
Ryans Handy gab ein komisches, krächzendes Geräusch von sich.
»Textnachricht. Mein Flug wurde storniert.« Er drückte bereits auf die Tasten.
In den nächsten dreißig Minuten telefonierte Ryan mit Fluggesellschaften, dann mit mindestens acht Hotels. Keine Flüge. Keine Zimmer. Sogar das Hotel, das wir eben verlassen hatten, war voll ausgebucht.
6
»Wie konnte da jeder so schnell reagieren?«, fragte ich. »Anscheinend checkt niemand mehr aus. Und in der Stadt laufen mehrere große Kongresse.« Unschuldiger Chorknabenblick. »Schätze, jetzt hast du mich am Hals.«
»Du weißt, dass ich Pläne habe.«
»Schätze, ich könnte versuchen, wenigstens ein Mietauto zu bekommen.« Unsicher.
O Gott. Ich konnte Ryan unmöglich dorthin mitnehmen, wohin ich wollte.
»Könnte heikel werden, bei diesem Wetter und weil ich doch die Stadt nicht kenne«, fuhr Ryan fort.
»Autovermieter liefern auch Stadtpläne mit. Oder du könntest nach was mit GPS fragen.«
Keine Chance bei Hertz oder Avis.
Ich konnte nicht glauben, was da passierte. Konnte der Tag noch schlimmer werden?
Ich dachte an den bevorstehenden Abend. Noch viel schlimmer, erkannte ich.
»Okay«, sagte ich, während Ryan nach der Nummer von Budget fragte. »Du kannst mein Auto haben. Aber du musst mich in die Vorstädte fahren.«
»Klingt machbar. So weit draußen gibt es doch sicher Motels mit freien Zimmern.«
»Sicher.«
So lief es allerdings nicht.
Sogar bei dichtestem Verkehr sollte die Fahrt von Greektown nach Elmhurst weniger als eine Stunde dauern. An diesem Nachmittag dauerte sie zweieinhalb.
Als ich die St. Charles Road erreichte, zeigte die Uhr auf dem Armaturenbrett 18:40. Toll. Ich hatte mich für vier angekündigt. Inzwischen würden alle hier sein. Falls man Ryan entdeckte, würde aus meiner Ankunft ein Zirkus werden.
Ich klinge melodramatisch? Vertrauen Sie mir. Ich kenne die
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