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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sickerte in seinen engen, bereits völlig durchnässten Hemdkragen. Das Hemd klebte unter dem Sportjackett an seinem Rücken. Seine Unterwäsche scheuerte unangenehm zwischen seinen Gesäßbacken.
    Er wollte gut aussehen für sie, nicht wie ein verschwitztes Schwein.
    Als er die Tür des Restaurants aufstieß, schlug ihm kühle Luft entgegen. Er trat in das dezent beleuchtete Foyer. Vor ihm stand ein Mädchen in altmodischen Kleidern hinter etwas, das wie ein Rednerpult aussah. Sie telefonierte. Melvin sah sich um und entdeckte über dem Durchgang zu einem abgetrennten Bereich ein Schild, auf dem »Toiletten« stand. Er eilte hinüber und drängte sich durch die Tür mit der Aufschrift »Herren«.
    Statt Handtücher gab es Lufttrockner. Er hasste diese Dinger. Er trat in eine Kabine und nahm Toilettenpapier, um sich den Schweiß von Gesicht und Nacken zu wischen. Dann ging er an ein Waschbecken und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Er fand, dass er ganz okay aussah, abgesehen von seiner schief sitzenden Krawatte.
    Bis jetzt hatte er noch keine Gelegenheit gehabt zu prüfen, wie er in dem Jackett und der Krawatte aussah. Um zu verhindern, dass Patricia ausflippte – sie hätte garantiert einen Anfall gekriegt, wenn sie mitbekommen hätte, dass er mit Vicki zum Dinner verabredet war –, hatte er ihr erzählt, er müsse heute Abend an der Tankstelle arbeiten. Seine guten Klamotten hatte er schon vorher, während sie ferngesehen hatte, in den Wagen gepackt. Als er sie zum Abschied küsste und das Haus verließ, hatte er seinen ölverschmierten Overall getragen. In der Garage zog er den Overall aus und machte sich für das Dinner fein.
    Melvin richtete die Krawatte. Er fuhr sich mit dem Kamm durch sein nach hinten gestriegeltes Haar, zwinkerte sich im Spiegel zu und verließ den Waschraum.
    Er ging zu dem Mädchen hinter dem Pult. Es war eine schlanke Brünette, ein paar Jahre jünger als Melvin und hübsch, trotz des Ausdrucks auf ihrem Gesicht. Sie sah ihn an, als wäre er ein in ihrer Suppe schwimmendes Schamhaar. »Ich bin zum Dinner mit Dr. Vicki Chandler verabredet«, sagte er. »Ist sie schon da?«
    »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
    Er trabte hinter ihr her. Sie ging schnell, als versuchte sie, ihm zu entkommen.
    Schlampe.
    Er fragte sich, wie es ihr gefallen würde, Cellophan ums Gesicht gewickelt zu kriegen.
    Dann sah er Vicki.
    Sie saß in einer der durch die hohen Rückenlehnen der Sitzbänke separierten Nischen entlang der Wand. Sie sah mit einem Lächeln zu ihm empor und wurde rot. Er setzte sich ihr gegenüber.
    Für Melvin war sie immer wunderschön gewesen. Heute Abend jedoch schien sie ihm schöner als je zuvor. Ihr goldenes Haar umfloss ihr Gesicht. Ihre Augen waren so blau wie der Himmel eines wolkenlosen Morgens. Sie trug eine dünne, schlichte Goldkette. Ihre blassblaue Bluse, die wie Seide schimmerte, stand am Hals weit offen, offen bis zu einem Knopf unterhalb ihrer Brüste. Zwischen den blauen Rändern des Ausschnitts konnte er die schattenhafte Rundung ihrer linken Brust erkennen.
    »Du siehst heute Abend sehr gut aus, Melvin«, sagte sie.
    »Du auch. Mein Gott, du siehst fantastisch aus.«
    »Vielen Dank.« Sie hob ihr halbleeres Glas und nahm einen Schluck. Als sie es wieder absetzte, glitzerten ein paar Salzkristalle auf ihrer Unterlippe. Sie leckte das Salz ab. »Möchtest du einen Drink?«, fragte sie. »Ich habe eine Margarita.«
    »Ja. Das klingt gut.«
    »Ich war schon etwas früher hier«, sagte sie.
    »Hast dir wohl gedacht, ich trink mal besser schnell einen, bevor er auftaucht?«
    »Sei nicht albern.«
    Ein Kellner trat an den Tisch. Melvin war froh, dass es nicht die Schlampe aus dem Foyer war, doch er sah dem Mann nicht ins Gesicht. Stattdessen beobachtete er, wie Vicki zu ihm hochlächelte. »Wir hätten gern zwei Margaritas. «
    »Ich wette, er fragt sich, was du mit einem Typen wie mir am Hut hast«, sagte Melvin, als der Kellner verschwunden war.
    »Du solltest dich nicht immer kleiner machen, als du bist, Melvin.«
    »Die Schöne und das Biest.«
    »Ich wäre nicht hier, wenn ich dich für ein Biest halten würde.«
    »Wieso bist du hier?«
    Sie neigte ein wenig den Kopf. »Weil ich es will. Ich glaube … ich war nicht sehr nett zu dir.«
    »Du warst okay. Du warst prima.«
    Sie zuckte leicht mit einer Schulter. Ihre Bluse bewegte sich dabei jedoch nicht, wie Melvin bemerkte, als würde sie ein Polster zwischen dem glänzenden Stoff und ihrer Haut tragen. Irgendein

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