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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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konnte beinahe sehen , wie es geschah.
    »Komm schon, komm schon«, sagte der Melvin auf dem Bildschirm.
    Er ließ die Arme sinken, kramte ein Kleenex aus der Tasche seines Umhangs und wischte Blut von Handgelenk und Unterarm. Er blickte auf und sah in die Kamera.
    Er beugte sich über den Leichnam, zog mit dem Daumen ein Augenlid hoch und starrte in das Auge.
    Das Lid blieb oben, als er es losließ.
    Er ging zur anderen Seite des Tischs herum. Er rüttelte ihre Schulter. Ihr Kopf mit dem offenen Auge rollte von einer Seite zur anderen, der weiße Nektar schwappte aus dem Mund.
    Er beugte sich noch weiter vor und presste ein Ohr auf ihre Brust.
    Er hob den Kopf wieder und blickte mit ärgerlich gerunzelter Stirn in die Kamera. Die linke Seite seines Gesichts war mit Fledermausblut beschmiert.
    »Es hat nicht geklappt«, sagte er mit ruhiger Stimme in die Kamera. »SCHEISSE!«, brüllte er dann und rammte seine Faust zwischen ihre Brüste. Nektar spritzte aus ihrem Mund. Wieder und wieder schlug er auf sie ein, jetzt mit beiden Fäusten, und schrie vor Schmerz auf, als seine verletzte Hand auf ihr Brustbein prallte.
    Melvin zog die Stirn in Falten, während er die Szene betrachtete. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er sich vor Enttäuschung und Wut wie ein Irrer aufführte. Am allerwenigsten gefiel ihm, dass er die Kontrolle über sich verloren hatte. Er griff nach der Fernbedienung und drückte auf Schnellvorlauf.
    Im Schnellvorlauf sah er wirklich wie ein Irrer aus, der auf die Tote einschlug, sie schüttelte, mit rudernden Armen um den Tisch herumsprang, während er tonlos brüllte, ihr erneut Schläge versetzte, aus dem Bild eilte und mit einem Spiegel in der Hand wieder auftauchte, den er ihr unter die Nase hielt, finster anstarrte und wütend von sich schleuderte. Als er auf den Tisch kletterte, drückte Melvin die Stopptaste.
    Das Laboratorium im Keller verschwand. Auf dem Bildschirm erschien eine niedliche Turnerin in einem ärmellosen Trikot, die einen Spagat auf dem Schwebebalken machte, während sie über das »Gefühl von Sicherheit und Selbstvertrauen« plauderte, das ihr Lite-Days-Einlagen gaben.
    Melvin schaltete den Fernseher aus und trank den Rest Pepsi.
    Er drehte sich auf dem Sofa zur Seite. Neben ihm saß Elizabeth Crogan, entspannt in die Kissen zurückgelehnt, die Hände in ihrem Schoß verschränkt, die an den Knöcheln überkreuzten Füße auf die Tischkante gelegt. Sie sah gar nicht so übel aus. Er hatte sie nach dem Experiment gestern Abend gewaschen, ihre aufgeplatzte Haut mit frischen Bandagen verbunden, sie geschminkt und ihr Haar gebürstet.
    »Immer noch tot?«, fragte er.
    Sie bewegte sich nicht. Sie starrte nur auf den schwarzen Bildschirm.
    »Letzte Gelegenheit für ein Comeback«, sagte er.
    Nichts.
    »Rede jetzt oder halt für immer den Mund. Ich werd dich begraben. Willst du, dass ich dich begrabe?«
    Nichts.
    »Okay. Du hattest deine Chance.«
    Er nahm eine letzte Handvoll Popcorn. Kauend wuchtete er die Leiche über seine Schulter und ging Richtung Garage.

Kapitel Acht
    Als Vicki am nächsten Morgen an Dexters Tür vorbeiging, wartete er schon auf sie. Es war keine große Überraschung, deshalb hatte sie auch einen Jogginganzug angezogen.
    »Guten Morgen«, sagte sie und ging weiter.
    »Einen Moment.«
    Sie drehte sich um, machte jedoch keinerlei Anstalten, zurückzugehen. Dexter trat auf den Korridor.
    »Kommen Sie her. Ich beiße schon nicht.«
    Vielleicht beißt du nicht, dachte sie, aber du bist und bleibst ein Ekelpaket. Sie ging dennoch ein paar Schritte auf ihn zu.
    Er trug wieder seinen ausgeblichenen blauen Morgenmantel. Seine Hände hatte er tief in die Taschen geschoben. »Sie gehen also nach wie vor im Dunkeln raus, egal, was ich sage.«
    »Ich brauche Bewegung.«
    »Ihr jungen Dinger glaubt immer, dass euch nichts passieren kann.«
    »Das glaube ich ganz und gar nicht«, erwiderte Vicki.
    »Aber ich werde mich nicht mein Leben lang verkriechen. Außerdem, wer sagt denn, dass ich in meiner Wohnung sicher bin? Ein Flugzeug könnte auf das Gebäude stürzen.«
    »Das ist so ungefähr das Dümmste, was ich …«
    »Es ist nett, dass Sie sich um meine Sicherheit sorgen«, sagte sie. Sie bezweifelte, dass es das war, was ihn sorgte. Höchstwahrscheinlich war ihm das Thema nur Mittel zum Zweck. Was ihn wirklich an ihr interessierte, war, sie zu bequatschen und dabei zu begaffen. »Ich weiß das wirklich zu schätzen«, sagte sie. »Aber ich wäre dankbar, wenn Sie

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