Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
bedeckten Untersuchungsliege. Er sah aus, als hätte er sich extra für diesen Anlass in Schale geworfen. Statt seiner üblichen schreiend bunten Hemden und Shorts trug er ein blaues Anzughemd und eine lange Hose. Seine rechte Hand, die auf seinem Schenkel lag, war mit Mullbinde und Heftpflaster umwickelt.
    »Guten Morgen, Melvin.« Ihre Stimme klang fest. »Du hast ein Problem mit deiner Hand?«
    Er kniff ein Auge halb zu und wackelte mit dem Kopf. Dann hob er die Hand. »Ich bin gebissen worden.«
    »Oh? Bist du mit einem Hund zusammengestoßen?«
    »Mit einem verdammten Dreckskind. Ich hab seinem Vater die Kreditkarte zurückgegeben, und in diesem Moment beißt mir der kleine Scheißer in die Hand. Ich glaube, sie ist entzündet.«
    Mit einem Nicken nahm Vicki eine Schere vom Verbandstisch. Sie hielt seine Hand und begann, die Bandage aufzuschneiden. »Wann ist das passiert?«
    » Vor ungefähr drei Tagen. Ich dachte, es würde verheilen, aber es tut immer noch weh.«
    »Dann lass mal sehen.« Sie schnitt die letzten Fäden des Verbands durch. Die unteren Lagen der Mullbinde klebten an dem verkrusteten Blut und dem Eiter der Wunde. Sie tränkte einen Wattebausch mit Alkohol und löste damit die Gaze vom verschorften Blut und dem klebrigen Eiter. Schließlich konnte sie die letzte Lage abziehen. Sie rückte die Lampe näher heran, hielt seine Hand ins grelle Licht und inspizierte beide Seiten.
    »Das ist ein ziemlich übler Biss, den er dir verpasst hat«, sagte sie.
    Die Zähne hatten flache, halbmondförmige Wunden auf Melvins Handrücken hinterlassen. Ähnliche, aber tiefere Wunden befanden sich in seiner Handfläche. Die Haut um die Bisswunden war gerötet und geschwollen.
    »Es wäre vielleicht sinnvoll, eine Röntgenaufnahme davon zu machen. Nur um einen Bruch auszuschließen. Hier in der Praxis können wir das nicht machen, aber ich könnte dich einem Radiologen drüben im Blayton Memorial überweisen.«
    »Keine Röntgenstrahlen. Machst du Witze?«
    »Oh, die sind harmlos, Melvin.«
    »Na klar. Wenn sie so harmlos sind, wie kommt es dann, dass sie eine Frühgeburt auslösen können, wenn ein Fötus geröngt wird?«
    Die Frage überraschte Vicki. Woher wusste er so etwas?
    Halt ihn nicht für blöd. Er ist nicht so dumm, wie er aussieht. »Das kommt ziemlich selten vor«, sagte sie. »Und du bist kein Fötus.«
    »Ist mir egal. Niemand beschießt mich mit irgendwelchen Strahlen.«
    »Kannst du deine Hand normal bewegen? Gehorchen dir deine Finger?«
    »Sie lassen sich ganz normal bewegen. Es tut nur weh. Die ganze Hand tut weh.«
    »Nun, du hattest Recht, als du meintest, dass sie entzündet ist.«
    »Muss sie amputiert werden?«, fragte Melvin.
    »Noch nicht. Mach dir keine Sorgen. Ich werde die Wunde säubern und verbinden und dir ein Rezept für ein Antibiotikum gegen die Infektion mitgeben. Im menschlichen Speichel wimmelt es von Bakterien. Es wäre weniger schlimm, wenn dich ein Hund gebissen hätte.«
    Er grinste. » Wenn es ein Hund gewesen wäre, hätte ich dir seinen Kopf für einen Tollwuttest gebracht.«
    Bei diesen Worten lief es Vicki eiskalt den Rücken herunter.
    »Der Vater hätte seinem Balg auch fast den Kopf abgerissen. «
    Sie fing an, die Wunde zu säubern. »Hast du die Namen der beiden?«
    »Von der Kreditkarte.«
    »Der Vater sollte eigentlich die Arztrechnung zahlen.«
    »Ich bin versichert. Ich will mich mit so was nicht rumärgern.«
    Das war doch mal was Neues. Die meisten Leute strengten schon wegen der kleinsten Schramme einen Prozess an. In diesem Fall erschien ihr eine Klage mehr als gerechtfertigt. Sie konnte allerdings verstehen, dass jemand mit Melvins Vergangenheit es vorzog, Problemen juristischer Art aus dem Weg zu gehen.
    »Du solltest in nächster Zeit die Hand möglichst wenig benutzen«, sagte sie. »Hast du jemanden, der dir in der Tankstelle die Arbeit abnimmt?«
    »Manny Stubbins, der hilft manchmal aus.«
    »Gut. Du kannst mit der Hand auf keinen Fall Benzin pumpen oder Reifen wechseln oder so was. Sind die Schmerzen schlimm? Hast du Schlafprobleme?«
    »Manchmal.«
    »Hast du was dagegen genommen?«
    »Nur Aspirin.«
    »Und das hat geholfen?«
    »Kam mir so vor.«
    »Ich könnte dir etwas gegen die Schmerzen verschreiben, wenn sie wirklich schlimm sind. Darvon oder Valium. Aber mir wäre es lieber, wenn es ohne ginge. Besser ist, wenn du mit Aspirin oder Tylenol auskommst.«
    »Ja. Ich will keine Drogen. Die machen aus mir einen Zombie. Hab in der Irrenanstalt

Weitere Kostenlose Bücher