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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sie hat ein Auto, ist aber zu Fuß gegangen. Sie wohnt vielleicht nur ein paar Straßen entfernt.
    Um zwanzig nach fünf schwang die Tür der Praxis auf, und Vicki kam heraus. Melvin glotzte sie an und rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. Sie war wunderschön. In dem weißen Ärztekittel, den sie morgens getragen hatte, gefiel sie ihm noch besser; der weiße Mantel war ein steifes, förmliches Kleidungsstück, in dem sie noch zarter und verletzlicher wirkte, als müsste sie ihn zu ihrem Schutz tragen. Doch auch ohne Kittel sah sie schlicht umwerfend aus. Ohne ihre Schale, sozusagen. Sie trug ein gelbes, ärmelloses Sommerkleid. Ihre Beine sahen darunter sehr nackt aus.
    Als sie die Straße hinunterging, warf Melvin Trinkgeld auf den Tisch. Er ging zur Tür, wobei er sich zu einem langsamen Schlendern zwang, um bei der Bedienung oder bei Webby hinter dem Tresen keinen Verdacht zu erwecken. Er wusste, dass sie ihn beobachteten. Alle beobachteten ihn, bis auf die Ortsfremden, die nicht wussten, was er getan hatte.
    Draußen hüllte ihn die Hitze des Nachmittags ein. Er spähte aus zusammengekniffenen Augen über die Straße. Vicki ging schnell und war schon einen halben Block entfernt. Sein Wagen parkte am Bordstein. Es war idiotisch, dachte er, ihr mit dem Auto zu folgen. Es sei denn, er würde hinter ihr her fahren und sie fragen, ob er sie mitnehmen solle. Würde sie in seinen Wagen steigen? Vielleicht. Doch sie würde sich möglicherweise auch fragen, wieso er gerade jetzt auftauchte.
    Er beschloss, ihr zu Fuß zu folgen.
    Er blieb auf seiner Seite der Straße und ging ohne Eile.
    An der nächsten Ecke betrat Vicki Ace Sportswear .
     
    »Suchen Sie was Schickes, wie zum Beispiel ’nen scharfen Bikini? Sie kriegen auch Quacksalber-Rabatt.«
    »Heute nicht.«
    »Nun, dann können Sie mich mal. Raus hier.«
    Eine junge Frau stand in der Nähe. Sie wirbelte herum und starrte Ace mit offenem Mund an.
    »Jennifer«, sagte Ace, »tu mir den Gefallen und schmeiß diese Tussi hier raus.«
    Jennifers Kinnlade klappte noch ein Stück tiefer. Sie wurde knallrot. Sie konnte nicht älter als siebzehn oder achtzehn sein.
    »Mach dir nicht ins Hemd, Schätzchen. Das hier ist meine alte Freundin Vicki Chandler.«
    Das Mädchen verdrehte die Augen. »Ich dachte schon, du flippst völlig aus. Heilige Scheiße, ich hab dich noch nie so mit einer Kundin reden hören.«
    Vicki grinste Ace ins Gesicht. »Hast du ihr Sprachunterricht gegeben oder was?«
    »Was willst du damit sagen? Hey, wie gefällt dir Jens Outfit? Schick, was?«
    Das Mädchen trug ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid, das an ein Schiedsrichtertrikot erinnerte. Es war auch nicht viel länger als ein Trikot. Den Gürtel bildete eine Silberkette, von der eine silberne Trillerpfeife bis auf ihren linken Oberschenkel herabbaumelte. Dazu trug sie weiße Kniestrümpfe und schwarze Joggingschuhe.
    »Extravagant«, bemerkte Vicki.
    »Den Jungs gefällt’s. Hat was Sportliches, was Kleinmädchenhaftes …«
    »Was Nachthemdhaftes …«
    »Das schärfste Teil im Laden«, sagte Ace. »Wenn die neue Lieferung reinkommt, kriegst du eins. Es treibt die Kerle in den Wahnsinn.«
    »Können wir gehen?«
    »Ich hab auf dich gewartet.« Zu Jennifer gewandt, sagte sie: »Wenn weiterhin nichts los ist, kannst du früher zumachen. Bis Morgen.«
    »Nett, Sie kennengelernt zu haben, Jennifer.«
    »Gleichfalls«, erwiderte das Mädchen.
    Sie verließen den Laden und bogen um die Ecke, wo Aces Wagen parkte. Heiße Luft schlug Vicki entgegen, als sie die Beifahrertür öffnete. Sie kurbelte das Fenster herunter, bevor sie einstieg. Als der Kunststoffbezug des Sitzes heiß an ihren Schenkeln brannte, zuckte sie zusammen, stemmte sich hoch und hakte die Ellbogen über die Lehne, damit ihre nackte Haut nicht mit dem glühendheißen Polster in Berührung kam.
    »Alles okay bei dir?«, fragte Ace.
    »Geht so«, erwiderte Vicki.
    Ace setzte sich auf das Strandtuch, das sie säuberlich über den Fahrersitz gebreitet hatte. »Ich hab noch ein Tuch im Kofferraum.«
    »Hast du vielleicht auch ’ne Salbe gegen Verbrennungen? «
    »Soll ich bei der Praxis anhalten?«
    »Ich werd’s überleben. Hoffe ich.« Langsam ließ sich Vicki auf den Sitz sinken. Diesmal tat es nicht mehr so weh. Sie seufzte.
    »Wohin?«, erkundigte sich Ace und startete den Motor.
    »Die erste Adresse ist George Street. In der Nähe der Kirche.«
    Ace bog rechts in die Central Street. »Oh, sieh mal da.« Sie deutete mit

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