Das Grab - Roman
und steuerte dann wieder auf die rechte Spur. Vor ihm nichts als die vom Mond beschienene Straße und Felder.
Er nahm den Golf im Rückspiegel genauer in Augenschein. Er war etwa drei, vier Wagenlängen hinter ihm.
Melvin grinste, weil er so clever war. Er hätte den Golf nach dem Überholen auch schneiden können, doch ein derart aggressives Manöver hätte die Frau nur misstrauisch gemacht. So, wie er überholt hatte, schöpfte sie vermutlich überhaupt keinen Verdacht – bis es zu spät war.
Er stemmte die linke Hand mit durchgestrecktem Arm gegen das Lenkrad und drückte sich gegen Sitzlehne und Kopfstütze.
Dann stieg er in die Eisen.
Die Räder blockierten, der Wagen schlitterte kreischend über den Asphalt.
Der Golf raste auf ihn zu.
Er hörte das Quietschen seiner Reifen.
Der Aufprall ließ Melvins Wagen einen kleinen Satz nach vorn machen. Keine heftige Karambolage, aber es reichte. Er hörte kein Splittern, weshalb er annahm, dass kein größerer Schaden entstanden war.
Er lenkte seinen Wagen auf das sandige Bankett und hielt an. Der Golf fuhr langsam an ihm vorbei. Seine Scheinwerfer funktionierten noch. Einen Moment lang befürchtete er, die Krankenschwester würde einfach weiterfahren. Doch sie steuerte den Golf ebenfalls an den Straßenrand und blieb ein paar Meter vor ihm stehen.
Die Tür schwang auf. Als sie ausstieg, ließ sich Melvin auf das Lenkrad sinken. Er hörte das eilige Scharren ihrer Schuhe auf dem Asphalt. Er stemmte sich langsam hoch und schüttelte wie benommen den Kopf.
»Alles in Ordnung?«, fragte die Frau. Ihre Stimme zitterte.
»Ich glaub schon«, murmelte er. Er rieb sich den Nacken.
Sie stand dicht an der Fahrertür und beugte sich herab, um einen Blick auf ihn zu werfen. Er wünschte, er hätte sie besser sehen können. Doch das, was er erkennen konnte, sah gut aus. Er schätzte, dass sie etwa Anfang zwanzig war. Über ihrer linken Brust trug sie ein Namensschild, doch er konnte es nicht lesen.
»Was ist passiert?«, fragte sie. »Warum haben Sie gebremst? «
»Irgendwas … ist vor mir über die Straße gehuscht. Vielleicht eine Katze. Ich weiß es nicht. Es ging so schnell. Ich hätte nicht bremsen und das Tier einfach überfahren sollen.«
»Es tut mir so leid. Ich hätte nicht so dicht auffahren sollen. Haben Sie sich den Kopf angeschlagen?«
»Ich weiß nicht.« Er rieb sich die Stirn. »Ich bin okay, schätze ich.« Er stellte den Motor ab und zog mit seiner bandagierten Rechten den Schlüssel aus der Zündung. Langsam schob er die Tür auf und stieg aus. Er tat so, als würde er die Frau ignorieren, und ging zum Heck seines Wagens.
»Ich glaube nicht, dass irgendwas kaputt ist«, sagte sie, während sie ihm folgte.
Die Hecklichter seines Wagens leuchteten rot.
»Sieht nicht so aus«, brummte Melvin. »Ich hab eine Taschenlampe im Kofferraum. Ich hol sie mal raus.«
»Ich gebe Ihnen meinen Namen und meine Telefonnummer«, sagte die Frau. »Wenn es irgendwelche Probleme gibt, bezahle ich den Schaden selbstverständlich.«
Er schloss den Kofferraum auf. Der Deckel schwang auf.
»Wir müssen die Versicherung nicht bemühen, oder?«, fragte sie. »Mir wäre es lieber, wenn wir die Sache zwischen uns regeln, falls das für Sie okay ist.«
»Klar«, murmelte er.
»Super.« Sie klang sehr erleichtert.
Melvin nahm die Taschenlampe aus dem Kofferraum. Er knipste sie an und richtete den Lichtkegel auf die Hände der Frau, während sie in ihrer Handtasche wühlte. Sie kramte einen Stift und einen Notizblock heraus. Er sah, dass ihre Hände zitterten, als sie versuchte, den Block ruhig zu halten und zu schreiben.
»Sie werden möglicherweise einen steifen Nacken kriegen«, sagte sie, während sie schrieb. Sie klang ganz wie Vicki, als sie seinen Biss kommentiert hatte. »Das wäre nach einem Vorfall wie diesem nichts Ungewöhnliches. Aber wenn Sie ins Krankenhaus kommen und nach mir fragen …«
»Prima«, sagte Melvin.
»Ich sorge dafür, dass man sich um Sie kümmert. Wir haben eine sehr gute physiotherapeutische Abteilung.«
»Okay.«
Sie riss das oberste Blatt vom Block. Es zitterte, als sie es ihm reichte. Er hielt es ins Licht der Taschenlampe. Ihr Name, Patricia Gordon, war mit wackeliger Schrift auf das Papier gekritzelt. Unter dem Namen stand eine Telefonnummer. Melvin schob den Zettel in die Brusttasche seines Hemds.
Als sie den Block wieder in ihre Handtasche steckte, richtete er den Lichtkegel auf ihr Gesicht.
Sie kniff die Augen zu und
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