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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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etwas wie eine Tochter für ihn? Vielleicht. Wahrscheinlich. Er hat für mich getan, was ein Vater für seine Tochter tut: Er hat mich ermutigt, mich unterrichtet, mir seinen Rat und Beistand gegeben … und meine Ausbildung bezahlt.
    O Gott, Charlie, es tut mir leid.
    Du hast all die Hoffnungen erfüllt, die er in dich gelegt hatte.
    Hab ich das?
    Wenn du noch lebst, Charlie, dann mache ich alles wieder gut. Versprochen.
    Bald sah sie durch eine Lücke zwischen den Bäumen ein Stück weiter vorn den im Mondlicht schimmernden Fluss.
    »Wir sind gleich da«, sagte Jack.
    »Ich bin froh, wenn wir das Kanu wieder los sind.«
    »Wir könnten zu mir gehen, und ich fahre dich dann wieder raus zur Brücke, wenn du willst.«
    »Okay.«
    Das ist das einzig Gute an all dem, dachte sie. Mit Jack zusammen zu sein. Wenn nur alles andere nicht passiert wäre …
    Wir werden von jetzt an viel öfter zusammen sein, dachte sie und drückte seine Hand.
    Er sah sie an. Sie wünschte, sein Gesicht sehen zu können.
    Sie wateten weiter. Als sie sich der Mündung des Baches näherten, öffnete sich der Blick auf den Fluss.
    Und Vicki sah das Kanu.
    Auf dem Fluss.
    Zehn bis zwölf Meter weit draußen.
    Es trieb langsam ab.

Kapitel Dreiundzwanzig
    »O nein«, murmelte Vicki.
    »Wie zum Teufel …?«
    Sie ließ Jacks Hand los und stürmte vorwärts. Er packte ihren Arm. »Nein. Warte hier. Ich hole es.« Rückwärts watend bewegte er sich auf die Mündung zu, hob eine Hand, um ihr zu bedeuten, sie solle bleiben, wo sie war, dann drehte er sich um und hechtete mit einem flachen Kopfsprung in den Bach. Wasser spritzte auf. Vicki watete ihm nach und sah, wie er die letzten Meter durch den schmalen Mündungskanal in den Fluss hinausschwamm.
    Hier warten?
    Bestimmt nicht.
    Sie warf einen Blick zur Uferböschung, wo sie das Kanu an Land gezogen hatten. Niemand zu sehen. Trotzdem musste jemand hier gewesen sein. Von alleine war das Kanu nicht in den Fluss gerutscht. Jemand hatte es ins Wasser geschoben. Und war vielleicht noch in der Nähe.
    Gänsehaut kroch über ihre Arme und ihren Rücken, als sie den Blick suchend über die dunkle Uferböschung schweifen ließ.
    Sie sah zu Jack hinüber. Er hatte bereits die halbe Strecke zum Kanu zurückgelegt.
    Sie warf sich vorwärts, pflügte mit den Händen voran flach durchs Wasser, tauchte an die Oberfläche und begann zu schwimmen. Sie hob den Kopf und holte Luft. Sie entdeckte Jack. »Warte!«, rief sie.
    Er hörte auf zu schwimmen. Sie sah nur seinen Kopf, während er auf sie wartete.
    »Ich wäre zurückgekommen, um dich zu holen«, sagte er, als sie ihn erreichte.
    »Ich weiß«, erwiderte sie Wasser tretend und mit den Armen rudernd. »Ich wollte nur nicht alleine am Ufer bleiben. Das Kanu ist nicht von selbst abgetrieben. Jemand hat es ins Wasser geschoben.«
    »Diese Möglichkeit ist mir auch schon in den Sinn gekommen.«
    Sie sah, dass das Boot weiter abtrieb. »Wir sollten uns beeilen.«
    Sie schwammen auf das Kanu zu.
    Jack erreichte es zuerst. Er duckte sich unter dem Heck hindurch. Vicki begriff, dass er vorhatte, die andere Seite des Kanus festzuhalten, damit sie hineinklettern konnte. »Okay«, sagte er. »Steig ein.«
    Sie streckte einen Arm aus und hielt sich am Dollbord fest, zog sich heran, legte die zweite Hand auf den Rand des Kanus und stemmte sich so weit aus dem Wasser, dass sie Jacks Hände auf dem Aluminiumdollbord sah und etwas Großes und Dunkles, das auf dem Boden des Kanus lag.
    Ein Mensch?
    »Jaaaaack?« Ihre Stimme war hoch und schrill.
    »Was ist?« Sein Kopf erschien über dem Dollbord. »Heiliger Strohsack«, murmelte er. »Ist das Charlie?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann nicht …«
    Das Ding auf dem Boden des Kanus setzte sich mit einem Ruck auf und schlug Jack den Unterarm quer übers Gesicht. Jack fiel nach hinten. Das Kanu schwankte und schaukelte in Vickis Richtung, während sie ein lautes Klatschen hörte. Sie versuchte, sich vom Kanu wegzustoßen, doch eine Hand packte sie bei den Haaren und riss sie hoch. Für einen Augenblick, der eine Ewigkeit anzudauern schien, hing sie dort. Das Kanu kippte zur Seite und drohte zu kentern, ihre Kopfhaut brannte vor Schmerz, und ihre Hüfte wurde gegen das Dollbord gedrückt. Dann fiel ihr fassungsloser Blick auf das schwarze, vom Mond beschienene Gesicht, das unmöglich Charlie gehören konnte.
    Es war verkohlt. Die Haut war aufgeplatzt. Höhlen, wo seine Augen sein sollten. Keine Haare. In einer Seite des Schädels klaffte

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