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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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hinüber, konnte jedoch die schmale Mündung nirgendwo entdecken, bis Jack darauf deutete. Sie steuerte das Kanu darauf zu und hörte nun das leise Rauschen schnell fließenden Wassers. Sie zog das Paddel ein letztes Mal kräftig durch das dunkle Wasser.
    Während das Kanu näher an die Landzunge heran glitt, ließ sie den Blick prüfend über den Waldrand schweifen. Sie sah keine Lichter. Doch in der Ferne hörte sie undeutliche Stimmen.
    Entweder war der Suchtrupp noch nicht so weit gekommen, oder er hatte bereits die Mündung erreicht und war wieder umgekehrt.
    Jack ließ sich in den Fluss gleiten. Das Wasser reichte ihm bis zur Taille. Er packte den Bug mit einer Hand und watete, das Kanu hinter sich herziehend, ans Ufer. Er zog es ein Stück die Uferböschung hinauf, bückte sich und hielt das Kanu mit beiden Händen fest, damit Vicki aussteigen konnte. Sie kroch zum Bug. Jack reichte ihr eine Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Sie war klatschnass. Gemeinsam zogen sie das Kanu höher die Uferböschung hinauf.
    »Was jetzt?«, flüsterte er.
    »Ich würde sagen, wir gehen flussaufwärts.«
    Seine große Hand schloss sich um ihren Unterarm. Sie gingen um ein paar Büsche herum und wateten in den Laurel Creek hinein. Das steinige Flussbett war glitschig unter ihren Schuhen. Als sie die Mitte erreichten, stieg das Wasser bis über ihre Knie.
    »Schade, dass wir keine Taschenlampe haben«, sagte Jack.
    »Ich hatte dies auch wirklich nicht geplant.«
    Nebeneinander wateten sie langsam weiter. Von ein paar Flecken Mondlicht abgesehen, lagen der Bach und seine Ufer im Dunkeln. Vicki hörte die Stimmen des Suchtrupps durch das enge Tal hallen, doch er schien genauso weit entfernt zu sein wie vorhin. Was die Männer sagten, konnte sie nicht verstehen.
    Obwohl sie den Blick immer wieder suchend über das schwarze Wasser des Bachs schweifen ließ, konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Ufer. Wenn Charlie im Wasser trieb, würden sie ihn nicht sehen, sondern spüren. Dieser Abschnitt des Bachs war so schmal, dass seine Leiche nicht an ihnen vorbeitreiben konnte, ohne dass sie es bemerkten. Sie würde gegen ihre Beine stoßen.
    Sie betete, dass Charlie nicht im Wasser schwamm. Sie waren viel zu weit von der Brücke entfernt.
    Falls er noch lebt, dachte sie, liegt er entweder irgendwo am Ufer, oder der Suchtrupp hat ihn gefunden.
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie etwas Helles auf sich zutreiben sah. Jack drückte ihre Hand und ließ sie dann wieder los. Er watete auf das Ding zu. »Nur ein Ast«, flüsterte er.
    »Gott sei Dank.«
    Er bückte sich und schob den Ast zur Seite. Er bewegte sich träge und schwamm, über die Steine am Ufer kratzend, an ihnen vorbei.
    Sie wateten weiter den Bach hinauf.
    Während Vicki den Blick auf die dunklen Umrisse der Büsche und Felsen entlang des Ufers gerichtet hielt, lauschte sie nach den Stimmen des Suchtrupps. Minuten vergingen, in denen sie nichts hörte als das Zwitschern der Vögel und das Summen von Insekten, das stete, leise Gurgeln des Wassers um ihre Beine und hin und wieder das Quaken eines Froschs.
    Dann hallte wieder eine weit entfernte Stimme durch das enge Tal. Eine zweite Stimme rief eine Antwort. Dann wieder Stille.
    Die Stimmen schienen weiter entfernt als zuvor. Das beruhigte Vicki zunächst. Sie wollte auf keinen Fall den Männern des Chiefs über den Weg laufen. Doch sie begann sich zu fragen, was es zu bedeuten hatte, dass sie sich wieder zurückzogen. Entweder hatten sie Charlie gefunden oder jede weitere Suche flussabwärts aufgegeben.
    Sie hoffte, sie waren deshalb umgekehrt, weil sie Charlie gefunden hatten. Lebend.
    Doch insgeheim befürchtete sie, dass die Männer bis zur Mündung des Laurel Creek gewatet waren, bevor sie und Jack dort angelangt waren. Wenn ihn die Strömung bereits in den Fluss getragen hatte, hatte es keinen Sinn mehr, die Suche fortzusetzen. Die Leiche wäre verschwunden. Bis sie irgendwo, vielleicht Meilen flussabwärts, ans Ufer geschwemmt wurde. Oder bis sie auf dem Grund des Stroms so weit verwest war, dass die Fäulnisgase den aufgeblähten Kadaver an die Oberfläche steigen ließen. Die Männer hatten wahrscheinlich die Suche aufgegeben und waren auf dem Weg zurück zur Brücke.
    Wir sollten auch aufgeben, dachte sie.
    Nein. Noch nicht.
    Jack ließ ein leises »Hmm?« hören. Er watete nach rechts. Vicki blieb neben ihm, spähte angestrengt auf den dunklen Uferstreifen und fragte sich, was er gesehen hatte. Er blieb

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