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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Gartens durch den Spalt einer Hecke. Sie tauchten hinter einem einstöckigen Haus inmitten einer weitläufigen, von Bäumen bestandenen Rasenfläche wieder aus der Hecke auf. Ein Autoreifen hing von einem der Äste herab. Dieses Haus besaß einen weit größeren Strand als das Holzhaus. Ein Kanu lag mit dem Kiel nach oben auf dem Sand. Ein Stück weiter befanden sich ein Bootshaus und ein Anlegesteg.
    Jack lief in Richtung des Strands. Er blieb neben dem Kanu stehen, bückte sich und kippte es auf die Seite. Darunter lagen zwei Paddel.
    »Was tust du?«, flüsterte Vicki.
    »Wir borgen es uns. Damit sind wir im Nu an der Mündung.«
    »Machst du Witze? Es gehört uns nicht.«
    »Das ist ein Notfall. Sie werden es verstehen. Außerdem bemerken sie gar nicht, dass wir es genommen haben. Das hoffe ich zumindest.«
    Vicki warf einen Blick zum Haus hinüber. Sie konnte zwischen den Bäumen nur Teile davon sehen.
    Jack reichte ihr ein Paddel. Das andere behielt er für sich und hob den Bug an. Vicki packte das Heck. Das Aluminiumkanu wog fast nichts, als sie es hinter Jack zum Ufer hinab trug.
    Sie erwartete beinahe, dass jemand aus dem Haus gelaufen kam, um sie aufzuhalten. Aber es passierte nichts.
    Sie wateten in den Fluss und setzten das Kanu aufs Wasser. Jack hielt es fest, während Vicki einstieg. Als sie sich hingekniet hatte und das Paddel ins Wasser tauchte, schwang sich auch Jack an Bord.
    Sie sah über die Schulter zum Haus zurück.
    Wir kommen tatsächlich ungeschoren davon!
    Sie fühlte eine seltsame Erregung. Sie hatte noch nie zuvor etwas gestohlen.
    Wir stehlen es nicht. Wir leihen es nur. Und es ist ein Notfall.
    Sie hatte zwar seit Jahren nicht mehr in einem Kanu gesessen, früher jedoch viele Stunden damit verbracht, das Flussufer und die Inseln zu erkunden. Es fühlte sich so vertraut an: die schmalen Holzleisten unter ihren Knien, das Paddel in ihren Händen, der Widerstand des Wassers gegen das Blatt, wenn sie es nach hinten zog, das silbrige Flüstern der spritzenden Tropfen, wenn sie das Paddel aus dem Wasser hob, das leise Plätschern des Flusses unter dem Kiel des dahingleitenden Kanus.
    Jack verhielt sich, als hätte er in seiner Jugend ebenfalls viel Zeit in einem solchen Boot verbracht. Aufrecht am Bug kniend zog er das Paddel mit gleichmäßigen, kraftvollen Bewegungen durch das Wasser und überließ Vicki das Steuer.
    Sie passte sich seinem Schlagrhythmus an, und bald glitt das Kanu mit beachtlicher Geschwindigkeit über das ruhige Wasser. Als sie den Anlegesteg hinter sich gelassen hatten, steuerte sie nach Norden.
    Die Luft war angenehm warm. Der Fluss war ruhig und schwarz, abgesehen vom silbernen Mondlicht, das auf den Bugwellen glitzerte. Vicki sah keine Bootslichter. Sie hörte keine Motoren. Außer ihnen schien niemand auf dem Fluss zu sein. Am gegenüberliegenden Ufer schimmerten ein paar Lichtpunkte. Die Stille und Schönheit erfüllten sie mit Bedauern.
    Es wäre schön, mit Jack hier draußen zu sein, ohne diesen schrecklichen Anlass. Sie könnten in die Mitte des Stroms hinauspaddeln und das Kanu treiben lassen. Sie würde nach vorn zu ihm rutschen. Er würde seine Arme um sie legen. Sie würden sich küssen. Sie würden sich auf den Boden des Kanus legen und …
    In irgendeiner anderen Nacht vielleicht, nächste Woche oder nächsten Monat. Wenn die Gegenwart nur noch eine traurige Erinnerung ist und wir aus keinem anderen Grund hier rauspaddeln als aus dem, Zeit miteinander zu verbringen.
    In ihrer Vorstellung sah sie Charlie tot im Laurel Creek treiben und fühlte sich schuldig.
    Wir sind nur wegen dir hier draußen, Charlie. Das mit Jack und mir ist jetzt nicht wichtig.
    Nicht heute Nacht.
    Sie wandte sich nach links und sah, dass sie am Anlegesteg des letzten Hauses vor dem Wald vorbeiglitten. Ein Stück weiter vor ihnen konnte sie eine Landzunge ausmachen. Aus ihrer Jugend wusste sie, dass sie auf der Südseite der Mündung des Laurel Creek in den Fluss hineinragte.
    Sie hielt das Paddel neben dem Kanu senkrecht nach unten und drehte das Blatt gegen die Strömung. Das Wasser schäumte und gurgelte, und das Kanu schwenkte herum. Als sein Bug auf die Landspitze zeigte, fing sie wieder an zu paddeln.
    Bald glitten sie an der Landzunge vorüber.
    »Es ist gleich dort vorn«, sagte Vicki.
    Jack nickte und legte sein Paddel quer über die Dollborde.
    Vicki paddelte langsam weiter. Mit angestrengt zusammengekniffenen Augen spähte sie zu den dunklen Büschen und Bäumen am Ufer

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