Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
geregelt.«
»Wie bitte?« Dave kniff die Augen zusammen. »Hören Sie zu, Frau Gräfin. Sie haben mich offenbar nicht verstanden.«
»Ich weiß, daß es nicht ernst gemeint war.«
»Aber es war ernst gemeint.« Seine Lippen wurden schmal. »Ich finde, daß Sie kein Recht hatten, Ihrer Tochter so etwas zu erzählen. Jetzt werden Sie ihr eben die Wahrheit sagen müssen.«
»Ich denke nicht im Traum daran. Sie werden es vielleicht nicht wissen, David, aber Sonja ist ein sehr zartes Mädchen. Nicht, daß sie leidend wäre, wohlgemerkt. Stark wie ein Pferd.«
»Das freut mich. Aber der heutige Abend kommt nicht in Frage.«
»Für Sonja würde das ein schrecklicher Schlag sein, David. Sie hält sehr viel von Ihnen.«
»Das sagten Sie mir schon einmal. Aber ich habe versäumt, Ihnen etwas zu sagen, Frau Gräfin. Ich – ich bin gewissermaßen verlobt.«
»Mit Miss Hagerty?«
Sie lächelte. Dave stutzte.
»Vielleicht geben Sie sich in dieser Angelegenheit unnützen Illusionen hin, David.« Sie schien recht belustigt zu sein. »Soviel ich gehört habe, ist ihr Interesse nicht so groß, wie Sie sich vielleicht einbilden.«
»Soviel Sie gehört haben?«
»Ich bekomme viel zu hören, lieber Freund. Ich habe große, große Ohren und große, große Augen, wie der Wolf im Märchen.« Ihr Lächeln wurde breiter, so daß ihre großen, großen Zähne zum Vorschein kamen.
»Es freut mich, daß Sie so gut informiert sind«, erwiderte Dave mit glühenden Wangen. »Aber ich interessiere mich gar nicht für Ihre Tochter, Frau Gräfin. Sie ist reizend, doch ich möchte nicht lügen. Machen Sie, was Sie wollen.«
Einen Augenblick lang ließ ihr Elan nach. Dann erhellte sich ihre Miene wieder. »Ich verstehe. Ihre Position hat Ihnen neuen Mut gemacht. Habe ich recht?«
Dave errötete noch stärker.
»Ich tue es nicht gern, David. Aber ich glaube, man muß Ihnen ein bißchen Bescheidenheit beibringen.«
Er sah ihr zu, wie sie die oberste Lade ihres Schreibtisches öffnete und zwei Kartons herausholte.
»Entzückend, nicht wahr?«
Er ließ sie sich geben. Auf dem einen Karton waren die von Ray Smalley aufgenommenen Bilder des Burke-Babys befestigt, auf dem anderen die Fotos, die Bob Bernstein geliefert hatte.
»Worauf wollen Sie hinaus, Frau Gräfin?«
»Wenn Sie genau hinschauen, David –«
»Kommen Sie zur Sache!« »Nur ein Narr würde den Unterschied nicht merken, David. Ich bin kein Narr.«
»Wo haben Sie diese Fotos her? Als ich sie zum letztenmal sah, befanden sie sich in unserer Atelierabteilung.«
»Diese Frage ist unwichtig. Entscheidend ist, daß ich sie besitze. Die endgültigen Kopien wurden sehr geschickt retuschiert – diese Bilder aber sprechen für sich selbst. Sie werden sicherlich begreifen, was das für eine Wirkung auf Kermit Burke haben würde, was es für Folgen hätte, wenn er plötzlich entdeckte, daß man einen Schwindel inszeniert hat.«
»Für Ihre Handlungsweise, Frau Gräfin, gibt es ein häßliches Wort.«
»Dann gebrauchen Sie es nicht. Ich verlange von Ihnen nur ein wenig Zärtlichkeit, ein wenig Aufmerksamkeit für ein armes junges Ding, das keine Freunde hat, keine –« Sie hielt inne und riß Dave die Fotos aus der Hand, bevor er sie beschädigen konnte.
»Das würde nichts nützen, David. Ich habe natürlich noch andere.«
»Sie scheinen dieses Metier sehr gut zu beherrschen.«
»Not macht erfinderisch, heißt es. Und ich bin eine Mutter.«
»Ich habe schon von Zwangsehen gehört, aber dies –«
»Von Ehe war keine Rede, David. Nur von ein wenig Aufmerksamkeit. Später wird sich zeigen –«
»Auf Wiedersehen, Frau Gräfin.« Er griff nach seiner Aktenmappe. »Machen Sie mit den Fotos, was Sie wollen. Ich hatte mit dem Austausch der Babys nichts zu tun, und wenn wir Burke verlieren, kann ich leicht anderswo unterkommen. Aber mein Liebesleben lasse ich mir nicht arrangieren, auch nicht nach adligem Muster.«
»David!«
Er öffnete die Tür und ging.
Bevor er ins Büro zurückkehrte, suchte er eine Bar in Manhattan auf, rief von dort aus Louise an und erkundigte sich, ob jemand etwas für ihn hinterlassen habe. Ein gewisser Max Theringer hatte angerufen und Dave gebeten, ihm den gleichen Gefallen zu tun.
Dave rief im Times-Express an.
»Theringer«, meldete sich eine näselnde Stimme.
»Max? Hier spricht Dave Robbins.«
»Ach ja. Ich dachte, es würde Sie interessieren. Unser Freund Willie Shenk ist in der Stadt und möchte mich sprechen. Ohne Hintergedanken. Er will
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