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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Agentur nicht überleben.«
    »Du hast ›sie‹ gesagt.«
    »Wie?«
    »›Sie‹. Du beziehst doch Onkel Homer mit ein, nicht wahr?«
    »Mein liebes Kind, ich bin kein Staatsanwalt. Natürlich weiß dein Onkel davon, das hat Gordon mir deutlich zu verstehen gegeben. Der Beschluß wurde im gegenseitigen Einvernehmen gefaßt. Wichtig aber ist, was nachher geschah: eine Erpresserin und ihr krimineller Freund machten sich daran, Tait und deinem Onkel den letzten Groschen abzuknöpfen, den sie in harter Arbeit verdient hatten.«
    Er verstummte, als ein rundlicher Kellner sich mit freundlichem Lächeln zu ihnen herabbeugte und ihnen die Weinkarte reichen wollte. Als Dave einen Whisky bestellte, runzelte der Kellner die Stirn und zuckte äußerst bekümmert die Achseln.
    »Schön, vielleicht stimmt das alles«, sagte Janey. »Aber es ist doch kein eigentliches Verbrechen, oder? Um Gottes willen, Dave, in der Werbebranche sind schon schlimmere Sachen vorgekommen. Was glaubst du denn, was das für eine Branche ist?«
    »Hör mal zu, wir wollen nicht akademisch werden –«
    »Akademisch?« Ihre Augen leuchteten auf. »Weißt du denn, wer unsere wahren Helden sind? Der schlaue Herr, der auf seinem weißen Lachs sitzenblieb, als alle Welt rosa Lachs verlangte, und annoncierte: ›Wird in der Büchse garantiert nicht rosa.‹ Da hast du deinen Reklamehelden! Oder all die abgebrühten Medizinspezialisten – man könnte eine ganze Fakultät aus ihnen zusammenstellen. Sie beglückten Amerika mit Körpergeruch, schlechtem Atem und rauhen Händen. Und dann die unterschwellig –«
    »Halt den Mund! Du weißt genau, daß dies alles nicht gar so einfach ist. Auf jeden gerissenen Gauner kommen hundert ehrliche Leute. Wir sind nicht alle damit beschäftigt, weißen Lachs an den Mann zu bringen.«
    »Daß du dich so aufspielst wie ein Heiliger – das geht mir echt auf die Nerven! Bloß wegen eines miesen Reklametricks!«
    »Davon spreche ich nicht!« warf Dave ärgerlich ein. »Ich spreche nicht von Reklame. Ich spreche von einem Mord!«
    »Ein Whisky«, sagte der Kellner verächtlich, pflanzte das Glas vor Dave hin und stelzte davon.
    »Es handelt sich um einen Mord, mein Kind. Deshalb bin ich so beunruhigt. Es handelt sich um den Mord an Annie Gander. Gordon rief mich an –«
    »Du sagtest doch, die Polizei habe den Täter schon gefunden, einen gewissen Willie, einen Berufsverbrecher?«
    »Ich sagte, daß die Polizei ihn sucht. Es liegen keine Beweise dafür vor, daß er der Täter ist. Aber laß mich ausreden. Gordon rief an. Er war nahezu hysterisch. So hab ich ihn noch nie reden hören. Offenbar hatte er eben erst von Annie Ganders Tod erfahren. Als ich bei ihm war, hab ich ihm absichtlich nichts davon erzählt. Er hat schreckliche Angst, mit hineinverwickelt zu werden.«
    »Was beweist das?«
    »Ich habe nicht behauptet, daß es etwas beweist. Aber es macht mich stutzig, Janey. Wenn Gordon Tait vermutet, Annie Gander sei aus einem ganz bestimmten Grund ermordet worden –«
    »Na, sprich es doch aus! Du hast dich jetzt lange genug mit Andeutungen begnügt. Deiner Meinung nach wurde sie wegen der Erpressungen ermordet.«
    »Du mußt zugeben, daß Erpressung und Mord alte Busenfreunde sind. Sie treten oft zusammen auf.«
    »Aber du nimmst doch nicht an, daß Gordon Tait es getan hat?« Es klang viel zu gelassen. »Natürlich nicht. Schließlich lag er ja so gut wie im Sterben, als diese – als diese Frau ermordet wurde.«
    »Natürlich nicht. Ich weiß, daß nicht er es getan hat.«
    »Dann bleibt also nur Onkel Homer übrig, nicht wahr?«
    »Janey!«
    »Das Eliminierungsverfahren, Dave. Weder Willie Shenk noch Gordon. Also bleibt noch Onkel Homer übrig.«
    Sie wollte aufstehen. Dave machte ein wütendes Gesicht.
    »Eine Sekunde, bitte! Vielleicht ist das nicht der einzige Mord, von dem ich spreche. Vielleicht steht ein zweiter bevor. An mir.«
    Eine rasche Folge von Reaktionen spiegelten sich in ihrem Blick. Es fing mit Bestürzung an und endete mit Verachtung.
    »Willkommen im Grand Guignol!« sagte sie mit einem recht mißglückten Lachen.
    »Schön! Das willst du mir also nicht glauben. Nun aber eine Sache, die du nachprüfen kannst. Dein lieber Onkel Homer hat mir heute vormittag die seidene Schnur überreicht. Er hat mir den Burke-Auftrag weggenommen.«
    »Wie?«
    »Ich sei den ganz großen Aufgaben noch nicht gewachsen – zum Unterschied von deinem alten Freund Harlow Ross. Aber ich weiß Bescheid, Janey. Er hat gemerkt,

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