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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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daß ich über diesen Babyschwindel genauer informiert bin, als ihm lieb ist. Er sägt mich ab, bevor ich ihm unangenehm werden kann.«
    »Das also steckt dahinter! Deshalb bist du so aufgeregt und wütend! Man hat dir den Laufpaß gegeben, und jetzt willst du dich rächen. Das hätte ich mir doch gleich denken können.«
    »Whisky nicht gut?« fragte der rundliche Kellner, als Janey ihre Sachen nahm und davonlief.
    »Whisky ausgezeichnet«, erwiderte Dave finster und griff nach der Speisekarte.
    Er trank zwei weitere Whiskys und bestellte dann sein Essen. Als er fertig war, war es drei geworden, aber darum kümmerte er sich nicht.
    Vor der Kleiderablage begegnete er Harlow Ross, und etwas an dem Mann kam ihm verändert vor. Zuerst konnte er es nicht definieren, aber als Ross ihn begrüßte, fiel ihm auf, daß die gewohnte Pfeife fehlte.
    »Hallo, Harlow!« sagte er. »Ich hätte gedacht, Sie würden bereits eine Maiskolbenpfeife rauchen.«
    Ross runzelte die Stirn und sah aus, als sei er in tiefe Gedanken versunken. »Wer weiß? Vielleicht höre ich ganz damit auf. Vielleicht bekommt es mir nicht allzu gut.«
    »Das sieht Ihnen aber gar nicht ähnlich, Harlow.«
    »Na, was dem armen Gordon passiert ist – das gibt einem zu denken. Wir passen nicht genug auf uns auf.«
    »Gordon geht es gut. Ich habe heute schon mit ihm telefoniert.«
    Ross schien peinlich berührt zu sein.
    »Schauen Sie doch nicht so erstaunt drein«, sagte Dave. »Die ärztliche Wissenschaft wirkt Wunder. Lesen Sie denn nicht Das
    Beste?«
    »Sie haben heute mit Gordon gesprochen?«
    Dave kniff die Augen zusammen. »Ja. Gegen elf. Warum?«
    »Dann haben Sie es wohl noch nicht gehört –«
    »Was?«
    »Gordon ist tot«, sagte Harlow Ross nervös und zog seine Pfeife aus der Manteltasche.

7
    Unterschätze nie die Macht einer Frau
    Unterwürfigkeit. Das war das passende Wort, aber es fiel Dave erst mehrere Stunden später ein, nachdem er am nächsten Morgen die Büros der Agentur erreicht hatte. Aber von dem Augenblick an, da er das Vestibül betrat, hätte er merken müssen, daß sich die Haltung der Angestellten ihm gegenüber verändert hatte. Jody, die Empfangsdame, erhöhte die Kerzenstärke ihres Lächelns, sowie er um halb elf aus dem Aufzug stieg. Wilson, der Fernsehmann, hielt ihn im Korridor an, um sein Urteil über eine neue Reklamesendung einzuholen. Wilton Sheplow, der Kassenverwalter, riß die Betonfassade seines Gesichts nieder und lächelte freundlich, als sie sich auf der Toilette begegneten. Louise, die Sekretärin, schien vor Dave mehr Respekt zu haben denn je.
    Das einzige Mitglied des Firmenpersonals, das einen durchaus unveränderten Eindruck machte, war Janey Hagerty. Die Tür ihres Büros blieb ihm verschlossen.
    Dieser jähe Stimmungswechsel bereitete ihm Kopfzerbrechen, aber nicht lange. Der erste Anhaltspunkt war das flache Paket, das auf seinem Schreibtisch lag.
    Er hob es auf und wog es in der Hand. Es war recht schwer. Mit einem Papiermesser schnitt er die Schnur durch, mit der es umwickelt war, und entfaltete das braune Papier.
    Es war ein Foto Kermit Burkes in silbernem Rahmen. Der Babynahrungsfabrikant lächelte mit dem Sommersprossen-
    Charme eines alten Wildwestfilmstars und hielt eine Maiskolbenpfeife in der rechten Hand. Unten auf dem Foto waren die Worte hingekritzelt:
    Für Davy Crockett mit freundlichen Grüßen von Cubby.
    Dave studierte das Bild, ohne seine Bedeutung zu erfassen, bis er aufblickte und Homer Hagerty auf der Schwelle stehen sah.
    »Schau, schau! Wie ich sehe, haben Sie den Hausorden erhalten.«
    »Das verstehe ich nicht«, erwiderte Dave. »Weshalb schickt er mir sein Bild?«
    »Das dürfen Sie sich selber ausrechnen.« Der Generaldirektor lächelte etwas einfältig und setzte sich in den Sessel, der vor dem Schreibtisch stand.
    »Bedaure. Es sei denn, daß der brave Cubby allen seinen ehemaligen Reklameagenten ein Abschiedsgeschenk zukommen läßt.«
    »›Ehemalig‹ können Sie sich schenken«, sagte Hagerty. »Seit gestern hat sich hier einiges geändert, Dave. Dieses Bild müßte Ihnen eigentlich alles sagen.«
    Kopfschüttelnd legte Dave das Foto auf den Schreibtisch. »Keine Ahnung. Man hat mir doch die Burke-Sache weggenommen.«
    »Dave, ich hatte mich geirrt. Ich hatte mir eingebildet, daß Sie Burke nicht gefallen. Aber als ich ihn gestern nachmittag aufsuchte und ihm von meinen Plänen erzähle, da hätte der Lump mich beinahe zum Fenster hinausgeworfen. Er besteht darauf, daß

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